Das lasse ich mir nicht bieten

ISL e.V. - Jessica Schroeder
Since 11/2021 7 Episoden

Grad der Behinderung (GdB)

Ein Gespräch mit Andrea Fabris vom Bundesverband Körperbehinderter (BSK)

21.06.2022 47 min

Zusammenfassung & Show Notes

 
In dieser Folge beschäftigen wir uns mit dem Grad der Behinderung und dem, was sich hinter diesem Begriff verbirgt. Für viele von uns behinderte Menschen ist der anerkannte Grad der Behinderung eine Garantie dafür, welche finanziellen und sachlichen Nachteilsausgleiche wir erhalten können. Im Gespräch mit Andrea Fabris vom Bundesverband Körperbehinderter (BSK) besprechen wir, wie der Grad der Behinderung definiert wird, aus welchen Komponenten er sich zusammensetzt, wie man ihn beantragen kann, welche Probleme durch Gutachter*innen und Sachbearbeiter*innen bei der Anerkennung auftreten können und wie man diesen Schwierigkeiten begegnen kann. 

 


Weitere Infos 
hier einige nützliche Links zu dieser Podcastfolge: 
 
 
 
 
 

Transkript

Fragen über Fragen. Nach über 100 Bewerbungen wurde ich noch immer nicht für ein Bewerbungsgespräch eingeladen. Woran liegt das? Warum hat mein Spielplatz keine gute Rampe? Wieso dauert es eine Ewigkeit, bis ich meinen elektrischen Rollstuhl bewilligt bekomme? Das lasse ich mir nicht bieten. Der Podcast über Wege durch den Rechtedschungel. Mit diesem Podcast möchten wir gemeinsam auf die Suche nach einigen Antworten gehen. Konkret setzen wir uns mit der UN- Behindertenrechtskonvention auseinander und schauen, wie diese im Sozialrecht, im Arbeitsrecht oder in anderen Rechtsbereichen durchgesetzt wird. Dieser Podcast möchte behinderte Menschen darin unterstützen, ihre Rechte effektiv durchzusetzen, Fremdbestimmung entgegenzuwirken und Selbstbestimmung zu fördern. Hallo und herzlich willkommen zum Podcast der Interessenvertretung Selbstbestimmt leben - Das lasse ich mir nicht bieten. Wege durch den Rechtedschungel. Heute geht es um das Thema "Grad der Behinderung". Das ist ja für viele von uns ein ziemlich heißes Thema. Denn wir alle, also jedenfalls diejenigen von uns, die eine Beeinträchtigung haben, wissen, dass wir von der Gesellschaft behindert werden und dass wir auch einen bestimmten Grad der Behinderung anerkannt bekommen müssen. Dieser Grad der Behinderung hilft uns nämlich dabei, dass wir bestimmte Nachteilsausgleiche erhalten. Da die Welt ja ohnehin schon relativ viele Barrieren für uns bereit hält, brauchen wir oft einen Grad der Behinderung, damit wir dann diese Barrieren durch gezielte Hilfen, also durch Hilfsmittel, oder eben durch Nachteilsausgleiche, ein Stück überwinden helfen können oder wenigstens, dass uns die Barrieren ein bisschen, oder der Umgang mit diesen Barrieren, ein bisschen erleichtert wird. Im Podcast habe ich mich mit Andrea Fabris unterhalten. Diese arbeitet beim BSK, also beim Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter. Ich finde es immer noch ein bisschen schwierig, diesen Namen vollständig auszusprechen, wie ihr gerade gemerkt habt. Und Andrea Fabris ist Juristin und Expertin in diesem Bereich und erzählt uns genau, was der Grad der Behinderung ist, wie dieser festgestellt wird, worauf ihr beim Antrag achten müsst und welche Probleme bei der Beantragung entstehen können. Und natürlich auch, wie ihr diese lösen könnt. Ich wünsche euch viel Spaß mit der Folge und ich hoffe, ihr könnt etwas für euch mitnehmen. In den Shownotes haben wir euch dann auch noch einige Sachen verlinkt, also einige Webpages zum Thema "Grad der Behinderung", die euch dann weitere Informationen liefern, die euch hoffentlich im Alltag nützlich sein werden. Viel Spaß! Ganz herzlichen Dank noch mal, dass du an der Podcast-Reihe teilnimmst zum Schwerbehindertenausweis und damit auch verbunden zum Grad der Behinderung. Ich würde mich sehr freuen, wenn du dich erst mal ganz kurz vorstellen könntest, was deine Motivation ist, beim BSK zu arbeiten und alles, was du sagen möchtest. Ja, danke schön, dass ich dabei sein darf bei dem Podcast. Mein Name ist Andrea Fabris. Ich bin von Hause aus Juristin und arbeite seit sechs Jahren jetzt schon beim BSK, beim Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter, als Referentin für Gesundheits- und Sozialpolitik. Habe früher bei der Patientenberatung gearbeitet und habe mich da eben nach was anderem umgeguckt. Ja, was ist so meine Motivation? Warum habe ich jetzt gerade den BSK gewählt für meine Arbeit? Die Motivation, hier zu arbeiten, ist für mich einfach, dass ich mein Wissen und meine Energie für eine bessere und inklusivere Gesellschaft einsetzen kann und das wirklich in Berlin, sozusagen bei der Politik auch mit versuchen kann, durchzusetzen. Das ist so meine Motivation. Oh, ein ziemlich ehrenvolles Ziel und eine schwierige Aufgabe, wie wir alle wissen, mit langem Atem, den man dazu braucht. Dann würde ich sehr gerne von dir wissen: Was macht eigentlich der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter? Also, was macht ihr genau und wofür setzt ihr euch ein? Und wahrscheinlich für Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung. Aber vielleicht kannst du das mal kurz erklären. Ja, genau, für Menschen mit Körperbehinderung. Klar, wie der Name schon sagt. Wir sind eine Interessenvertretung für Menschen, die hauptsächlich eine körperliche Beeinträchtigung haben. Wir agieren auf Bundes- und Landesebene. Es gibt also auch Landesverbände, einzelne, die halt entsprechend auf Landesebene agieren. Was machen wir? Wir unterstützen, durch Schulungen zum Beispiel, unsere Mitglieder. Also, wir empowern sie, dass sie im Zweifel auch selber für ihre Rechte eintreten können. Wir haben einige Projekte, zum Beispiel jetzt das Projekt "ÖPNV für alle", also speziell, was Barrierefreiheit im ÖPNV anbelangt. Es gab ein Projekt "barrierefreie Fernlinienbusse". Ja, also, das ist ein ganz großes Thema bei uns, Barrierefreiheit. Was machen wir noch? Beratung durch Ehrenamtliche, also sprich, es gibt bei uns für die Einzelnen - ja wie soll man sagen? - es gibt Fachteams, so nennen wir die. Es gibt also Fachteam Gesundheit, Soziales , Bauen und Mobilität zum Beispiel. Und für diese einzelnen Dinge führen wir Beratungen durch. Sowohl Ehrenamtliche als auch Hauptamtliche sind da organisiert. Und das sind halt alles Ehrenamtliche, die da mit sehr viel Engagement und auch sehr viel Wissen dabei sind. Also, gerade was barrierefreies Bauen anbelangt, ist das nicht ganz so einfach und da haben wir einen ganz großen Wissens-Pool. Und ja, wenn Bedarf besteht, gibt es auch Beratungen bei Rechtsanwälten, mit denen wir kooperieren. Also, solche Sachen machen wir da. Ja, sehr schön. Klingt auf jeden Fall sehr vielfältig und auch, neben dem hauptamtlichen Engagement, nach viel guter Selbsthilfe und Ehrenamt, was ich immer toll finde, weil, da kommen ja dann auch so dieser PEER-Aspekt und die Solidarität und so ein bisschen zum Tragen. Ja, klingt gut und sehr interessant. So, jetzt kommen wir zum eigentlichen Thema unseres Podcasts, nämlich das Thema "Grad der Behinderung". Und ich würde sehr gerne erst mal von dir wissen: Wie definiert man eigentlich den Grad der Behinderung? Was ist das überhaupt und wie kann man den erklären? Also so, dass jeder Mensch mit Beeinträchtigung das irgendwie nachvollziehen kann, was das eigentlich genau sein soll? Also, es gibt eine ganz technische, rechtliche Definition, die ist im §2, SGB 9, kann im Zweifelsfall auch jeder nachlesen. Und da steht im Endeffekt, Menschen mit Behinderung sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnes-Beeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. So, das ist sozusagen "Was ist Behinderung?". Der Grad der Behinderung gibt im Endeffekt an, wie hoch oder niedrig diese Behinderung einzustufen ist. Und wenn man es einfach ausdrücken will, dann sagt der Grad der Behinderung aus, in welchem Umfang Menschen aufgrund bestehender Beeinträchtigungen auf Barrieren stoßen, die sie in ihrer Teilhabe an der Gesellschaft länger als sechs Monate beeinträchtigen. Also, es reicht eben halt nicht eine kurze Zeit, sondern es muss halt voraussichtlich länger als sechs Monate andauern. Und es geht im Endeffekt immer darum, auf welche Barrieren stoße ich im Alltag, also nicht nur im Berufsleben, sondern im gesamten Alltag, sozusagen aufgrund meiner Beeinträchtigung? Die Schwere oder der Grad der Behinderung drückt sozusagen aus, wie sehr ich beeinträchtigt werde, wenn ich auf Barrieren stoße. Ah ja. Schwierig, irgendwie so auszudrücken. Kann ich noch mal kurz was dazu fragen? Eine provokante Gegenfrage, und zwar: also nach deiner Definition oder nach der Definition des SGB 9 wäre es dann ja aber theoretisch so, dass, gäbe es keine Barrieren, dann müsste es auch keinen Grad der Behinderung geben? Oder ist das so eine Mischform von Funktionsbeeinträchtigung und Barriere? Oder wie muss ich mir das vorstellen? Ich weiß halt nicht, inwieweit der Gesetzgeber hier was ändern würde, wenn es keine Barrieren gäbe. Also, sprich, würde sozusagen ein Grad der Behinderung und eine Behinderung überhaupt nicht vorliegen, wenn es gar keine Barrieren gäbe? Das wäre Glaskugel lesen. Das wissen wir natürlich nicht. Die rechtliche Regelung ist ganz klar, dass gesagt wird, Menschen mit einer Behinderung, wenn sie eine Beeinträchtigung haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. Das heißt, so wie der Gesetzgeber das sagt, sind die Barrieren, ich nenne das jetzt mal so provokant, wichtig dafür, dass man ein Mensch mit einer Behinderung ist. Ob der Gesetzgeber hier was anderes dann überlegen würde oder was anderes reinschreiben würde, wenn es eine 100% barrierefreie Gesellschaft gäbe, kann ich beim besten Willen nicht einschätzen. Weiß ich nicht. Aber wenn, also das ist ja einmal die Definition der eigentlichen Behinderung, also des Wortes, des Begriffes Behinderung. Aber wenn ich jetzt sage, okay, der Grad der Behinderung, der wird ja irgendwie gemessen und in 10er-Schritten, wo irrtümlicherweise oft angenommen wird, das wären Prozent, was aber so nicht gemeint ist. Aber wie definiert sich denn dieser Grad der Behinderung, also aus welchen Komponenten setzt er sich zum Beispiel zusammen? Er setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Also, es gibt diese sogenannte Versorgungs-Medizin- Verordnung mit den versorgungsmedizinischen Grundsätzen. Und da ist es so, dass es teilweise Diagnosen, teilweise geht es um Körperregionen sozusagen, in denen Defizite oder Beeinträchtigungen vorliegen. Also, ein klassisches Beispiel, sage ich jetzt mal: Ich habe einen Unfall gehabt und habe eine Querschnittslähmung. Dann finde ich das unter Nervensystem und Psyche. Da stehen halt zum Beispiel solche Sachen drin wie Lähmungserscheinungen oder Teil-Lähmungserscheinungen. Und da wird halt geguckt, wie umfangreich sind die Lähmungen oder Teil-Lähmungserscheinungen und welche Beeinträchtigungen im Alltag spiegeln sich dadurch wider? Und dann wird entsprechend gesagt, ob es zum Beispiel 30 oder 40 oder 70 oder 100 womöglich ist, ein GdB 100. Und danach richtet sich sozusagen die Einschätzung des GdB. Also, es wird zum einen geguckt, welche Körperregion ist betroffen? Was ist betroffen, also wie groß ist das Ausmaß? Und, wie sehr schränkt es mich im Alltag ein? Also, so eine Mischform aus der, zum Beispiel, Funktionsbeeinträchtigung der Körperfunktionen oder Sinnesbeeinträchtigungen und dem, was hat das für eine Auswirkung auf meinen Alltag? Ah ja, okay. Und gibt es da, also bei dieser Versorgungs-Medizin- Verordnung, den versorgungsmedizinischen Grundsätzen, ist da dann genau aufgelistet, okay, was bedeutet zum Beispiel bei einer Querschnittlähmung Grad 40, Grad 50? Also, was dann alles nicht mehr funktionieren sollte, oder? Also, wie detailliert ist denn das? Also, wer beurteilt denn das am Ende? Beurteilt wird was am Ende durch einen Gutachter. Und wenn wir jetzt bei der Querschnittlähmung bleiben, da gibt es also die Rückenmark-Schäden. Und da geht es los: Unvollständige, leichte Hals-Mark-Schädigung mit beidseits geringen motorischen und sensiblen Ausfällen ohne Störung der Blasen- und Mastdarmfunktion. So, das steht da sozusagen als oberstes. Und dann steht dahinter 30 bis 60. Ah ja. Da sieht man schon, wenn ich dann lese, 30 bis 60, dass ich dann schon gucken muss, also, es ist zwar immer noch eine leichte Hals-Mark-Schädigung ohne oder, nur mit geringen, motorischen und sensiblen Ausfällen, aber auch da kann sich das sehr unterschiedlich auswirken. Wenn ich also zum Beispiel, sagen wir mal, ein Goldschmied bin, und fein ziseliert was arbeiten muss, dann ist es schon problematisch, wenn ich geringe motorische Ausfälle habe und es mich dann natürlich entsprechend mehr beeinträchtigt in meinem täglichen Leben, weil ich dann Probleme damit habe. Währenddessen womöglich andere, die das viel besser auch vielleicht kompensieren, mit anderen Sachen, ganz normal arbeiten gehen und eben keine größeren Einschränkungen haben durch diese motorischen Ausfälle, dass die dann womöglich nur ein GdB von 30 oder 40 bekommen, währenddessen vielleicht jemand, der größere Schwierigkeiten hat mit diesen motorischen Ausfällen, einen GdB von 50 oder 60 bekommt. Ah ja. Und das ist für einen Gutachter, der ja im Zweifel den Menschen, der da das Gutachten bestellt hat, nicht permanent, also mehrere Tage oder Wochen begleitet, natürlich schwierig, weil das nur eine Momentaufnahme ist, und er halt auch genau gucken muss, welche Beeinträchtigungen liegen vor und auch mit guten Fragen sozusagen das erfahren muss, welche Beeinträchtigungen vorliegen. Ja. Wenn es jetzt so ist, dass ich also empfinde, dass ich eine Beeinträchtigung habe und ich möchte einen GdB beantragen, erst mal: Wie stelle ich das überhaupt an, wo gehe ich da hin? Also, wo kann ich das beantragen? Aber wie sind dann auch die weiteren Verfahrensschritte, mit Gutachten und diesen ganzen Dingen? Also, grundsätzlich beantrage ich das beim Versorgungsamt, den GdB. Das ist in den Bundesländern teilweise unterschiedlich geregelt. Manchmal heißt das Landesamt für Soziales und Versorgung, in den Stadtstaaten, da ist es wieder anders. Am besten fragt man sich, würde ich immer sagen, also entweder guckt man im Internet, fragt Google und schreibt GdB Beantragung und dann das Bundesland dazu, dann findet man das in der Regel relativ schnell. Und, wie gesagt, das ist in der Regel das Versorgungsamt, wo man das beantragt. Immer mehr Versorgungsämter haben die Anträge online verfügbar, so dass man sie sich entweder selber ausdrucken kann bzw. teilweise auch schon am Rechner ausfüllen kann. Allerdings kann ich dazu nicht sagen, wie barrierefrei die sind. Das ist dann, glaub ich, auch noch mal das Problem. Das stimmt. Ansonsten, sage ich einfach, entweder anrufen oder hinschreiben und dann schicken die einem auch die entsprechenden Anträge zu. Dann füllt man diesen Antrag aus und in diesem Antrag werden allgemeine Sachen abgefragt. Man muss in der Regel eine Schweigepflichts- Entbindung für die Ärzte geben. Das heißt, dass die behandelnden Ärzte auch die Diagnosen und die Beeinträchtigungen dem Amt mitteilen können und auch dem Gutachter, also nicht dem Amt, sondern dem Gutachter mitteilen können. Was ich wichtig finde, ist, dass zum einen die behandelnden Ärzte, die ich angebe, darüber auch informiert sind, dass ich einen GdB beantragen will. Und was eigentlich fast noch wichtiger ist, ist wirklich möglichst ausführlich darzulegen, schriftlich, welche Beeinträchtigungen ich habe aufgrund der einzelnen Erkrankungen. Ja. Weil nur dann kann der Gutachter, der mich im Zweifelsfall gar nicht sieht, auch dementsprechend in seinem Gutachten feststellen, wie sich die Erkrankung oder die Behinderung auf meine Teilhabe an der Gesellschaft auswirkt. Und das ist das Wichtigste eigentlich. Da kann man, glaube ich, nicht genug schreiben. Also das, was sozusagen da ist an Platz auf dem Antrag, ist in der Regel immer zu gering. Und dann ist das beste eigentlich, sich hinzusetzen und zu überlegen okay, wo habe ich die Einschränkungen? Wo kann ich nicht mehr so teilhaben, wie ich es gerne möchte und wie ich es sonst auch gerne gemacht habe? Also, ich reiche dann diesen Antrag ein. Und du hast ja gerade gesagt, es wäre wichtig, das auch ein bisschen ausführlicher zu begründen. Und die Antragsformulare sind ja eher sehr begrenzt in ihrem Zeilenumfang, den man da so zur Verfügung hat. Kann man dann auch noch Schriftstücke einfach als Anhänge da mit dazu geben und werden die dann in diese Bewertung mit einbezogen oder fokussieren die sich nur auf den Antrag selbst? Wie sind da so deine oder eure Erfahrungen? Also unsere Erfahrungen sind, dass es total wichtig ist und dass die Gutachter auch total dankbar dafür sind, dass solche extra Anmerkungen, extra Dokumente mit dabei sind. Ah ja. Also, teilweise ist es in den Anträgen auch so, dass man Dokumente anfügen kann, wie zum Beispiel Reha-Berichte, Arztberichte, Krankenhaus-Entlassungsberichte, Krankenberichte, und so weiter und so fort. Je aktueller die sind, desto besser, weil einfach dann der Gutachter im Zweifelsfall sich die nicht erst noch zusammensuchen muss, sondern die einfach schon da hat. Und wenn ich dann diesen Antrag eingereicht habe, wie geht's dann weiter? Weil du gesagt hast, ja, manchmal sieht einen der Gutachter auch und manchmal aber entscheidet er einfach nach Aktenlage, also aufgrund der Berichte. Wie funktioniert das dann in der Regel? Also wie geht das dann weiter? Also, in der Regel ist es nach Aktenlage. Also es gibt - ich muss direkt mal überlegen, ob ich jemals schon mal jemanden hatte in der Beratung, der nicht nach Aktenlage - also in der Regel ist es nach Aktenlage. Es passiert eher ganz selten, dass derjenige begutachtet wird in persönlicher Begutachtung, sondern es ist in der Regel nach Aktenlage. Und umso wichtiger ist es wirklich, dass da ganz klar daraus hervorgeht, was die Beeinträchtigungen sind und wo die Teilhabe auch beeinträchtigt ist. Das bringt mich zu der nächsten Frage, bevor ich dazu komme, okay, was passiert dann am Ende, wenn man dann einen bestimmten Grad anerkannt bekommt? Aber, warum ist es überhaupt wichtig, einen Grad der Beeinträchtigung oder Behinderung, also den Grad, GdB, der Behinderung, überhaupt zu beantragen? Ich meine, man findet es ja eh schon nicht so geil, Behinderung ist ja eher so konnotiert, ja, nix gutes, eher was negatives. Aber welche Nachteilsausgleiche kann ich dadurch erhalten? Oder überhaupt, wie kann ich meine Beeinträchtigung dadurch besser bewältigen und damit zurechtkommen? Ich sage mal, ich bin ja nicht verpflichtet, einen Grad der Behinderung zu beantragen, sondern ich mache das ja in der Regel, weil es eben Nachteilsausgleiche gibt. Also, es gibt die unterschiedlichsten Nachteilsausgleiche. Je nachdem, welchen Grad der Behinderung ich habe, und auch, welches Merkzeichen ich habe, gibt es da halt die unterschiedlichsten Nachteilsausgleiche. Das können so Sachen sein, wie kostenlose Beförderung im öffentlichen Nahverkehr oder, wenn ich ständiger Begleitung bedarf, dass dann die Begleitperson kostenfrei befördert wird. Das können Steuervergünstigungen sein, aber eben auch, wenn ich zum Beispiel außergewöhnlich gehbehindert bin, dass ich einen Parkausweis habe und auf einem Schwerbehinderten-Parkplatz zum Beispiel parken kann, der in der Regel ja näher dran an dem Theater oder am Kino ist. Ich will ja auch ins Theater und ins Kino gehen. Und wenn ich dann so weit laufen muss und das nicht kann, dann überlegt man sich das ja dann meistens dreimal, ob man's macht. Und wenn man dann einen kurzen Weg hat, dann geht man eben doch noch lieber ins Kino oder ins Theater. Also, ist der GdB, in Teilen jedenfalls, auch schon gekoppelt an den Erhalt eines Schwerbehindertenausweises Sehe ich das richtig? Andersherum. Der Schwerbehindertenausweis ist an den GdB gekoppelt. Genau. Also, ab einem GdB von 50 bekomme ich einen Schwerbehindertenausweis, dann gelte ich auch als schwerbehindert. Alles darunter, da bekomme ich keinen Schwerbehindertenausweis. Das kann sich teilweise bemerkbar machen auf Arbeit. Also, wenn, im arbeitsrechtlichen Sinne, dass ich gleichgestellt werden kann mit einem Menschen mit Schwerbehinderung. Das hat dann so ein paar Vorteile, wenn es um Schwerbehindertenvertretung geht, oder überhaupt den Schwerbehindertenstatus in der Firma, im Betrieb. Und ich habe zum Beispiel als Mensch mit einer anerkannten Schwerbehinderung mehr Erholungsurlaub und kann eher in Rente gehen, was für den einen oder anderen ja auch ganz nett ist. Ja, na klar. Und, wenn ich das jetzt alles eingereicht habe, der Gutachter dann letztlich vielleicht nach Aktenlage entscheidet, vielleicht schreiben die einem ja auch manchmal, dass sie sagen, okay, wir brauchen noch andere Berichte, um besser entscheiden zu können? Oder wie läuft das so in der Regel? Genau. Es läuft in der Regel so: Ich stelle den Antrag, habe einen ganzen Stapel Papiere und Dokumente, die ich da mit einreiche und der Sachbearbeiter schaut sich das an und wird in der Regel das alles an einen Gutachter geben. Und der Gutachter guckt und sagt dann, okay, entweder kann er eine Entscheidung treffen mit den Sachen, die da sind, oder er sagt, ich muss mir noch ein besseres Bild machen, ich brauche noch andere Unterlagen und die werden dann angefordert. Es gibt dann die Möglichkeit, dass man das dann direkt, dass der Gutachter, bzw. das Amt, das direkt anfordert, beim behandelnden Arzt zum Beispiel, dass die noch mal ein Gutachten haben wollen. Und in der Regel habe ich ja mit dem Antrag ein Einverständnis gegeben, dass die behandelnden Ärzte, die ich auch benennen muss in dem Antrag, Auskunft über meinen Gesundheitszustand und über meine Einschränkungen geben können. So, und dann hat der Gutachter das alles zusammen, schreibt ein Gutachten, mit einer Empfehlung für den GdB, und der Sachbearbeiter wird, in der Regel, diese Empfehlung übernehmen. Okay. Und dann kriege ich Bescheid. Und wenn der Gutachter die Empfehlung ausgesprochen hat und der Sachbearbeiter, der meistens folgen wird, dann bekomme ich ja diesen Bescheid. Und da steht dann drin, Sie haben einen Grad der Behinderung, zum Beispiel von 70 aufgrund der und der unterschiedlichen Funktionsbeeinträchtigungen, oder wie muss man sich dieses Schreiben dann vorstellen? Also diesen Feststellungsbescheid, oder wie man das nennt? Wie nennt man das denn? Das ist ein Feststellungsbescheid, ein ganz normaler Feststellungsbescheid. Da wird festgestellt, dass man zum einen einen Grad der Behinderung von X hat. Dann werden die entsprechenden Punkte aufgezählt, die in diesen Bescheid eingeflossen sind, also die entsprechenden Beeinträchtigungen. Es wird angegeben, in welchem Umfang die sozusagen in die Bewertung des Grades der Behinderung eingeflossen sind. Also, das wird jetzt nicht aufsummiert bis, weiß ich nicht, GdB 500 oder so, sondern bei GdB 100 ist Schluss. Das heißt es wird als erstes geguckt, welche Einschränkung oder welche Beeinträchtigung hat die größte Einschränkung in der Teilhabe? Und dann wird geschaut, welche anderen Beeinträchtigungen wirken sozusagen noch weiter? In der Einschränkung erhöhen die Einschränkungen der Teilhabe noch zusätzlich. Und dann wird daraus ein Gesamt-GdB berechnet und der wird dann halt mitgeteilt. Und dann wird halt mitgeteilt, welche. In der Regel sind das wirklich Erkrankungen oder eben Einschränkungen, die man, die dann benannt werden im Bescheid. Ah ja. Okay, dann habe ich also diesen Bescheid. Dann weiß ich zum Beispiel, ich habe jetzt einen GdB, einen Grad der Behinderung, von 70. Der wird ja immer so in Zehner-Schritten angegeben. Kriege ich dann automatisch einen Schwerbehindertenausweis und alle Nachteilsausgleiche, die daraus erwachsen oder muss ich mich dann selber darum kümmern, dass es irgendwie weitergeht? Also der Schwerbehindertenausweis, der kommt, wenn ich einen GdB über 50, also in unserem Fall 70, habe, der wird mir automatisch zugestellt. Wenn ich ein Merkzeichen haben möchte, das kann ich sozusagen in dem Antrag, den ich da habe, noch mit ankreuzen, dass ich zum Beispiel ein Merkzeichen haben möchte, wenn ich, keine Ahnung, außergewöhnlich gehbehindert bin oder erheblich gehbehindert bin, dann muss ich entsprechend das noch beantragen. Oder wenn sich eine Verschlechterung einstellt, dass ich dann sage, ich möchte zusätzlich noch zu einem GdB von 70 ein "G" als Merkzeichen zum Beispiel dazu haben. Ja. "G" steht für was? "G" steht für erheblich gehbehindert. Ah ja, okay, alles klar. Ja, sehr gut. Also, da gab es ja irgendwie "G" und "AG". Sehe ich das richtig? Also außergewöhnlich gehbehindert und gehbehindert, oder wie waren da die Differenzierungen, zum Beispiel? Genau. Also, es gibt "AG", außergewöhnlich gehbehindert. Dann gibt es ein "B" für Notwendigkeit ständiger Begleitung, ein "BL" für Blind. Ein einfaches "G" für erheblich gehbehindert, "GL" für gehörlos. "H" für hilflos. "RF" Ermäßigung des Rundfunkbeitrags und "TBL" taubblind. So, diese Merkzeichen gab es. Also, nicht gab es, sondern gibt es ja immer noch. Genau. Und da muss man halt bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um diese Merkzeichen zu bekommen. Alles klar. Ja, das hatten wir ja so ein bisschen schon in der vorletzten Folge mit Jenny Bießmann von der ergänzenden unabhängigen Teilhabe-Beratungsstelle in Berlin. Aber gut, dass wir das noch mal klären. Also, nur nochmal für alle. Also, wenn ich einen GdB beantragt habe, einen Grad der Behinderung, und der liegt über 50, wird mir dieser Schwerbehindertenausweis automatisch mit zugestellt. Ich erhalte den auch, aber ich muss selber ankreuzen, welche Merkzeichen ich zuerkannt bekommen möchte, eben aufgrund meiner Beeinträchtigung. Ist das richtig so? Genau. Also im Antrag muss ich das halt ankreuzen. Sehr gut. Okay. Dann ist es ja so, dass es bei nicht allen Menschen so glatt läuft mit der Beantragung des GdB, sondern, dass manche Versorgungsämter dann letztlich auch entscheiden, okay, deine Beeinträchtigung mag so und so hoch sein, du magst die und die Beeinträchtigung oder Behinderung im Alltag erfahren. Aber wir möchten dir einen geringeren GdB zuerkennen, als du selber denkst, dass du ihn verdient hättest oder aufgrund deiner Beeinträchtigung erhalten müsstest. Wie sind da so eure Erfahrungen? Kommt das häufig vor? Ja, das kommt sehr häufig vor. Dummerweise kommt das sehr häufig vor. Ich sage mal, da hilft eigentlich wirklich nur eins, dass man sich dieses Gutachten, also dass man Widerspruch einlegt. Mit dem Bescheid kommt auch eine entsprechende Rechtsmittel-Belehrung, das heißt, man kann einen Widerspruch einlegen. Dann sollte man einfach schauen, dass man sich da eine Beratung zu dem Thema holt. Gerne auch bei der ergänzenden unabhängigen Teilhabe-Beratung, weil ich denke, die sind da echt fit, was das anbelangt. Oder eben bei den eigenen Verbänden, die führen ja auch solche Beratungen durch. Was man zwingend im Endeffekt machen sollte, ist wirklich, dieses Gutachten sich schicken lassen vom Amt, welches sozusagen zur Einschätzung des GdB geführt hat. Ah, sehr gut. Also, man ist auch berechtigt, dieses Gutachten auch zu erhalten? Ja, natürlich. Ja, gut. Also, auch, wenn man sich noch überlegt, mache ich das jetzt oder mache ich das nicht, dass ich Widerspruch einlege? Im Endeffekt sind das drei Sätze. Hiermit lege ich gegen den Bescheid vom soundsovielten Widerspruch ein. Bitte schicken Sie mir das Gutachten. Dann kann man sich überlegen und anhand des Gutachtens einfach gucken, was hat der Gutachter nicht so beachtet oder nicht so gewürdigt in seinem Gutachten, wie er es eigentlich hätte würdigen müssen. Genau, man hat ja erst mal diesen Widerspruch einfach eingelegt, damit erst mal klar ist, okay, das möchte ich so nicht. Das stimmt hier alles so nicht. Und dann schaut man sich das Gutachten an und sieht, wie du gesagt hast, okay, das wurde nicht entsprechend gewürdigt. Dann? Was tut man dann? Schreibt man dann eine längere Begründung, warum das so nicht stimmen kann? Oder wie geht es dann weiter? Genau. Ich sage in der Beratung dann immer, wenn man das Gutachten hat, sollte man es wirklich ganz genau durchlesen und dann wird es auseinander gepflückt. Ja. Also wirklich so, dass man sich genau anschaut, was hat der Gutachter festgestellt, wie würdigt er die einzelnen Einschränkungen und Beeinträchtigungen? Wie würdigt er die und wo würdigt er die einfach nicht, nicht richtig? Also, aus was für Gründen auch immer, das sei jetzt mal dahingestellt. Und genau das muss ich halt wirklich aufführen. Jedes einzelne, dass ich sagen muss, okay, hier hat er das zwar richtig erkannt, die Einschränkung, aber die muss so und so gewürdigt werden, weil aus den und den Gründen führt es dazu, dass ich stärker in der Teilhabe beeinträchtigt bin, als der Gutachter das annimmt. Und so muss man da wirklich Stück für Stück sich das Gutachten nehmen und schauen, was hat der Gutachter reingeschrieben, wo hat er nicht richtig gewürdigt und wie sieht man das anders und mit welcher Begründung sieht man das anders? Und um dann auch noch mal zu gucken, hat er wirklich alles gewürdigt? Oder fehlt etwas? Fehlen irgendwelche Einschränkungen? Ja. Die man dann sozusagen nochmal mitteilen kann. Und im Zweifelsfall kann man dann auch noch mal mit den behandelnden Ärzten darüber reden, ob die dann auch noch mal von medizinischer Seite etwas dazu schreiben können. Okay, gut. Dann reicht man das wieder ein. Und wie sind dann so eure Erfahrungen? Also, wird dem dann auch stattgegeben und dann zum Beispiel der GdB erhöht aufgrund meiner Begründung? Oder muss man manchmal auch vor das Sozialgericht ziehen, um das dann einzuklagen? Oder wie läuft das so in der Regel? Also, ich würde jetzt sagen, es gibt bestimmt 50 % der Fälle, die bei uns ankommen, wo dann dem Ganzen stattgegeben wird. Entweder so vollumfänglich, also, wo man dann sagt, okay, damit kann ich gut leben, das ist das, was ich mir vorgestellt habe, oder zumindest in Teilen. Aber es gibt halt auch einige, die dann wirklich vor das Sozialgericht gehen. Dann muss man halt auch entsprechend in der Frist beim Sozialgericht Klage einreichen. Auch da ist es halt so, es besteht nicht grundsätzlich Anwaltszwang beim Sozialgericht. Es ist aber empfehlenswert, sich einen Fachanwalt für Sozialrecht zu nehmen, weil das, glaube ich, ganz schön aufreibend ist. Also, das ist, glaube ich, für die Psyche ganz schön aufreibend und von daher ist es doch zu empfehlen. Meistens kriegt man vor den Sozialgerichten recht. Meistens. Also ich habe einige jetzt schon gehabt, es hat lange gedauert, also teilweise vier, fünf Jahre. Ja, also auch vor dem Hintergrund ist es ganz gut, wenn man einen Rechtsanwalt hat, weil man einfach die Sachen dann abgeben kann, dass man dann zumindestens auch rückwirkend, weil der Antrag läuft ja dann schon seit vier, fünf Jahren sozusagen, und dann halt auch rückwirkend entsprechend den Grad der Behinderung, den man beantragt hat, bekommt. Du hattest gerade erwähnt, es gibt ja immer Fristen, es gibt ja einmal Fristen, um Widerspruch einzulegen und dann letztlich auch Fristen, um vor das Gericht zu ziehen, also einzuklagen, Klage einzureichen. Wie sind da die Fristen? Also, bei der Widerspruchsfrist sind das vier Wochen, nein ein Monat, sorry! Vier Wochen und ein Monat, nicht zu verwechseln! Bei der Klagefrist ist das auch noch mal ein Monat. Ah ja, okay. Also, man muss sich da ein bisschen ranhalten. Also, heißt das letztlich, ich habe zum Beispiel meinen Bescheid bekommen, mit der Feststellung des GdB, dem ich nicht entspreche, also, wo ich selber finde, es ist zu wenig, am 30. Mai. Also kann ich bis zum 30. Juni Widerspruch einreichen und müsste aber dann, wenn ich dann wieder einen Bescheid erhalte, der irgendwie immer noch nicht positiv ist, bis zum 30. Juli Klage einreichen beim Sozialgericht? Nein. Also, ich krieg einen Bescheid und wenn mir der am 30. Mai zugestellt wird, muss ich bis 30. Juni Widerspruch bei der Behörde eingereicht haben. Dann warte ich und warte und warte und warte, weil, in der Regel gibt es einen Widerspruchsausschuss, der, naja, ist unterschiedlich, aber teilweise tagen die nur alle 2 bis 3 Monate, wo dann die ganzen Widersprüche behandelt werden. Das heißt, ich kann damit rechnen, dass ich irgendwie nach einem Vierteljahr vielleicht einen Bescheid kriege, einen Widerspruchsbescheid. Und in diesem Widerspruchsbescheid steht wieder eine Rechtsmittel-Belehrung drin. Sie können Klage einreichen innerhalb eines Monats nach Zugang des Widerspruchsbescheides. Dann, wenn ich also jetzt, sagen wir mal, am 19. September, den Widerspruchsbescheid bekommen habe, dann habe ich bis 19. Oktober Zeit, Klage einzureichen. Ja. Und auch dann kann ich das so machen, wenn ich mich da sozusagen kurzfristig entscheide, und so kurz vor knapp, kann ich entweder zum Sozialgericht hingehen und sagen, ich möchte gegen diesen Bescheid Klage einreichen und dann gibt es die Rechtsmittelstelle, die sozusagen bei der Formulierung der Klage behilflich ist. Oder man versucht sich selber damit und schreibt, ich möchte Klage einreichen, und schreibt da rein, was man beantragen möchte. Also, die Empfehlung ist eher natürlich, das mit einem Anwalt zu machen. Wenn es aber wirklich zu knapp ist oder man noch nicht den richtigen Anwalt gefunden hat, dann kann man das durchaus so machen, dass man zum Gericht geht, zum Sozialgericht geht, und sagt, hier, ich möchte gerne Klage einreichen gegen den Bescheid und dann helfen die einem auch. Wahnsinn. Okay, so funktioniert das Du hast ja gesagt, okay, man kriegt ja eigentlich am Anfang schon ein Schreiben, wo ein GdB festgestellt wurde, der einem aber nicht zusagt. Kriegt man dann trotzdem über die Dauer hinweg, wenn man jetzt Klage einreicht und das alles so viel Zeit in Anspruch nimmt, kann man diesen GdB dann schon nutzen oder muss man wirklich warten, bis sich das ganze letztlich entschieden hat? Also, verstehst du ein bisschen, wie ich das meine? Ja. Ich verstehe das. Man muss warten. Ja. Also, das ist halt so, dass man, wenn man noch keinen GdB hatte, noch keinen Grad der Behinderung hatte, es ist einer festgestellt worden, beispielsweise ein Grad der Behinderung von 40, und ich bin aber der Meinung, nein es ist 60. Ich lege Widerspruch ein, dann habe ich diesen Grad der Behinderung ja noch nicht, sondern ich habe ja gegen den Bescheid widersprochen. Und dann dauert das im Endeffekt wirklich so lange, bis ich entweder im Widerspruchsverfahren oder im Klageverfahren dann meinen Grad der Behinderung habe. Der ist dann zwar rückwirkend. Also, wenn das ganze vier Jahre dauert, dann ist es zwar rückwirkend. Ja, und dann kann ich auch sämtliche Nachteilsausgleiche rückwirkend geltend machen. Aber ich habe dann erst mal keinen Grad der Behinderung. Okay. Also braucht man einen langen Atem, manchmal. Ja. Gut. Okay. Du hast es schon angesprochen. Es kommt ja immer so ein bisschen darauf an auf die Beeinträchtigungen, die man hat. Es gibt ja befristete Grade der Behinderung oder welche, die auch entfristet sind. Wo ist denn da der Unterschied? Also, wann ist man befristet und wann ist der dauerhaft, dieser GdB? Also, befristet ist er in der Regel, wenn eine sogenannte Heilungsbewährung ausgesprochen wird. Heilungsbewährung werden in der Regel bei Tumorerkrankungen ausgesprochen und die sind in der Regel fünf Jahre. Das heißt, nach fünf Jahren wird dann meistens der GdB gesenkt bzw. wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Heilungsbewährung endet und dann entsprechend nochmal neu geguckt, ob irgendwelche Schäden zum Beispiel aus der Tumorerkrankungen noch weiter einen höheren GdB beinhalten oder nicht, oder rechtfertigen oder nicht. Ja. Es ist so ein ganz typisches Beispiel, wenn es um Befristungen geht. Ansonsten werden Befristungen ausgesprochen, wenn zu erwarten steht, dass sich der Gesundheitszustand verbessert. Also, wenn es zwar länger als sechs Monate andauert, aber gesagt wird, na ja, es steht zu erwarten, dass sich der Gesundheitszustand aber bessert. Und dann werden teilweise auch Befristungen ausgesprochen. Wir haben vorhin schon mal gesprochen über die Versorgungs-Medizin-Verordnung, wo genau definiert ist, welchen Grad der Behinderung man erhalten kann, mit welcher Beeinträchtigung, welchen Funktionsstörungen, die den Alltag, oder in Kombination mit Barrieren im Alltag, das eigene Leben beeinträchtigen. Es gibt ein bisschen Kritik an dieser Versorgungs-Medizin-Verordnung. Worin besteht die denn? Und die soll ja überarbeitet werden. Was wird denn da kritisiert? Na ja, die sollte ja schon mehrfach überarbeitet werden. Es scheiterte immer an den Verbänden bzw. daran, dass das, was überarbeitet wurde, irgendwie nicht das war, was wir uns vorgestellt hatten. Ja. Ja, aber der größte Kritikpunkt ist im Endeffekt gewesen, dass, es gibt also einen Beirat zur Versorgungs- Medizin-Verordnung, und zwar einen Ärztlichen Beirat. Und wie das Wort ärztlich schon sagt, sind in diesem Beirat ausschließlich Ärztinnen und Ärzte. Und das ist für Verbände natürlich wahnsinnig schwierig, in diesem Beirat sich zu beteiligen, wenn ausschließlich Ärztinnen und Ärzte zugelassen sind. Das war so der erste Kritikpunkt. Der zweite Kritikpunkt war, dass zwar versucht wurde, die ICF irgendwie mit aufzunehmen, aber sie halt doch nicht konsequent umgesetzt wurde. Ein sehr, sehr großer Kritikpunkt ist gewesen, dass eine Regelung drin war, dass die generelle Bemessung einer Funktionseinschränkung unter Einsatz jeglicher Hilfsmittel festgestellt werden sollte. Also, die Bemessung der Funktionseinschränkung unter Einsatz der bestmöglichsten Hilfsmittel-Versorgung. Ja und jetzt wissen wir alle, dass, wenn ich gesetzlich krankenversichert bin, ich nicht das bestmögliche Hilfsmittel bekomme. Aber der GdB sollte sich nach der bestmöglichen Hilfsmittel-Versorgung richten. Und das passt hinten und vorne nicht zusammen. Das heißt, wenn ich zwar, keine Ahnung, unterschenkelamputiert bin, beidbeinig, und eine supertolle Prothese habe, dann habe ich keinen GdB. Aber diese supertolle Prothese bekomme ich im Zweifelsfall ja nicht, wenn ich nur gesetzlich krankenversichert bin. Und das ist so, was überhaupt nicht geht. Dann waren bei der Heilungsbewährung noch ein paar Neuregelungen und teilweise auch einzelne Indikations-Bereiche und auch da besteht noch Ergänzungsbedarf. Und es gab eine ganz vehemente Ablehnung dieser Überarbeitung der Versorgungs- Medizin-Verordnung vonseiten der Verbände, sodass das Ministerium dann erst mal einen Rückzieher gemacht hat. Und jetzt warten wir ganz gespannt darauf, was als nächstes kommt. Oh ja. Dann eine ganz abschließende Frage: Was wünschst du dir denn selber als Mitarbeiterin beim BSK und auch durch deine eigenen Erfahrungen, wie die Politik handeln müsste, damit das Leben von beeinträchtigten Menschen grundsätzlich einfach besser wird? Also, was ich richtig gut finden würde, wenn sich Menschen mit Behinderungen nicht immer rechtfertigen müssen, warum, wieso, weshalb sie welche Leistungen beantragen und zu bekommen haben. Das ist so das eine. Und das andere, wünsche ich mir einfach, auch gerade im Hinblick auf einen Grad der Behinderung, dass die Sachbearbeiter einfach, ja, also, manchmal hat man das Gefühl, die sind nicht empathisch genug, dass dann die Sachbearbeiter einfach mehr empathischer sind auch den Menschen mit Behinderung gegenüber und sich versuchen, da hineinzuversetzen. Und man merkt, glaube ich, ganz genau, wenn jemand selber Erfahrungen hat mit einer Behinderung, vielleicht sogar mit der Behinderung, die jetzt so gerade als Antrag auf dem Tisch liegt, dann hat er ein ganz anderes Verständnis dafür. Und das wünsche ich mir eigentlich, dass das bei allen da ist und dass es in der Gesellschaft einfach auch ankommt, dass man sich nicht immer rechtfertigen muss, wenn man bestimmte Leistung haben möchte oder nicht. Ja. Ganz herzlichen Dank. Das war ein wirklich tolles und, auch für mich, sehr aufschlussreiches Interview und ganz vielen Dank dafür. Wir werden auch den BSK in unseren Podcasts-Infos verlinken und ich danke Dir ganz herzlich und wünsche dir eine wunderbare Zeit. Danke. Das war unsere Folge zum Thema "Grad der Behinderung". Ich hoffe, es hat euch und Ihnen gefallen. In den nächsten Folgen wird es um die Themen "Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz" und "Behinderten- Gleichstellungsgesetz" gehen. Ich hoffe, ihr geht wieder online, schaltet sozusagen wieder ein und ich wünsche euch bis dahin eine wunderbare Zeit. Dieser Podcast wird ermöglicht durch die Förderung vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Das lasse ich mir nicht bieten. Der Podcast über Wege durch den Rechtedschungel. Eine Produktion von ISL- Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben e.V. Mehr Informationen und Kontaktaufnahme über die Webseite www.isl-ev.de.