Grad der Behinderung (GdB)
Ein Gespräch mit Andrea Fabris vom Bundesverband Körperbehinderter (BSK)
21.06.2022 47 min
Zusammenfassung & Show Notes
In dieser Folge beschäftigen wir uns mit dem Grad der Behinderung und dem, was sich hinter diesem Begriff verbirgt. Für viele von uns behinderte Menschen ist der anerkannte Grad der Behinderung eine Garantie dafür, welche finanziellen und sachlichen Nachteilsausgleiche wir erhalten können. Im Gespräch mit Andrea Fabris vom Bundesverband Körperbehinderter (BSK) besprechen wir, wie der Grad der Behinderung definiert wird, aus welchen Komponenten er sich zusammensetzt, wie man ihn beantragen kann, welche Probleme durch Gutachter*innen und Sachbearbeiter*innen bei der Anerkennung auftreten können und wie man diesen Schwierigkeiten begegnen kann.
Weitere Infos
hier einige nützliche Links zu dieser Podcastfolge:
Transkript
Fragen über Fragen.
Nach über 100 Bewerbungen
wurde ich noch immer nicht für ein
Bewerbungsgespräch eingeladen.
Woran liegt das?
Warum hat mein Spielplatz
keine gute Rampe?
Wieso dauert es eine Ewigkeit,
bis ich meinen elektrischen
Rollstuhl bewilligt bekomme?
Das lasse ich mir nicht bieten.
Der Podcast über Wege durch den Rechtedschungel.
Mit diesem Podcast möchten wir gemeinsam
auf die Suche nach
einigen Antworten gehen.
Konkret setzen wir uns mit der UN-
Behindertenrechtskonvention auseinander
und schauen, wie diese im Sozialrecht, im
Arbeitsrecht oder in anderen Rechtsbereichen durchgesetzt wird.
Dieser Podcast möchte behinderte Menschen
darin unterstützen,
ihre Rechte effektiv durchzusetzen,
Fremdbestimmung entgegenzuwirken
und Selbstbestimmung zu fördern.
Hallo und herzlich willkommen zum Podcast
der Interessenvertretung
Selbstbestimmt leben -
Das lasse ich mir nicht bieten.
Wege durch den Rechtedschungel.
Heute geht es um das Thema
"Grad der Behinderung".
Das ist ja für viele von uns
ein ziemlich heißes Thema.
Denn wir alle, also jedenfalls diejenigen
von uns, die eine Beeinträchtigung haben,
wissen, dass wir
von der Gesellschaft behindert werden
und dass wir auch einen bestimmten Grad
der Behinderung anerkannt bekommen müssen.
Dieser Grad der Behinderung hilft uns
nämlich dabei, dass wir bestimmte
Nachteilsausgleiche erhalten.
Da die Welt ja ohnehin schon relativ viele
Barrieren für uns bereit hält, brauchen wir
oft einen Grad der Behinderung, damit wir
dann diese Barrieren durch gezielte
Hilfen, also durch Hilfsmittel, oder eben
durch Nachteilsausgleiche,
ein Stück überwinden helfen können
oder wenigstens, dass uns die Barrieren
ein bisschen, oder der Umgang mit diesen
Barrieren, ein bisschen erleichtert wird.
Im Podcast habe ich mich mit
Andrea Fabris unterhalten.
Diese arbeitet beim BSK, also beim
Bundesverband Selbsthilfe
Körperbehinderter.
Ich finde es immer noch ein bisschen
schwierig, diesen Namen vollständig
auszusprechen, wie ihr gerade gemerkt habt.
Und Andrea Fabris ist Juristin und
Expertin in diesem Bereich und erzählt uns
genau, was der Grad der Behinderung
ist, wie dieser festgestellt wird,
worauf ihr beim Antrag achten müsst und
welche Probleme bei der
Beantragung entstehen können.
Und natürlich auch, wie
ihr diese lösen könnt.
Ich wünsche euch viel Spaß mit der Folge
und ich hoffe, ihr könnt
etwas für euch mitnehmen.
In den Shownotes haben wir euch dann auch
noch einige Sachen verlinkt, also einige
Webpages zum Thema "Grad der Behinderung", die
euch dann weitere Informationen liefern,
die euch hoffentlich im
Alltag nützlich sein werden.
Viel Spaß!
Ganz herzlichen Dank noch mal, dass du an
der Podcast-Reihe teilnimmst zum
Schwerbehindertenausweis und damit auch
verbunden zum Grad der Behinderung.
Ich würde mich sehr freuen, wenn
du dich erst mal ganz kurz vorstellen
könntest, was deine Motivation ist, beim
BSK zu arbeiten und alles,
was du sagen möchtest.
Ja, danke schön, dass ich dabei sein
darf bei dem Podcast.
Mein Name ist Andrea Fabris.
Ich bin von Hause aus
Juristin und arbeite seit
sechs Jahren jetzt schon beim BSK, beim
Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter,
als Referentin für Gesundheits-
und Sozialpolitik.
Habe früher bei der Patientenberatung
gearbeitet und habe mich
da eben nach was anderem umgeguckt.
Ja, was ist so meine Motivation?
Warum habe ich jetzt gerade
den BSK gewählt für meine Arbeit?
Die Motivation, hier zu arbeiten, ist für
mich einfach, dass ich mein Wissen und
meine Energie für eine bessere und
inklusivere Gesellschaft einsetzen kann und
das wirklich in Berlin,
sozusagen bei der Politik
auch mit versuchen kann, durchzusetzen.
Das ist so meine Motivation.
Oh, ein ziemlich ehrenvolles Ziel und eine
schwierige Aufgabe, wie wir alle wissen,
mit langem Atem, den man dazu braucht.
Dann würde ich sehr gerne von dir wissen:
Was macht eigentlich der Bundesverband
Selbsthilfe Körperbehinderter?
Also, was macht ihr genau und
wofür setzt ihr euch ein?
Und wahrscheinlich für Menschen mit
einer körperlichen Beeinträchtigung.
Aber vielleicht kannst du
das mal kurz erklären.
Ja, genau, für Menschen mit Körperbehinderung.
Klar,
wie der Name schon sagt.
Wir sind eine Interessenvertretung für
Menschen, die hauptsächlich eine
körperliche Beeinträchtigung haben.
Wir agieren auf Bundes- und Landesebene.
Es gibt also auch Landesverbände,
einzelne, die halt entsprechend
auf Landesebene agieren.
Was machen wir?
Wir unterstützen, durch Schulungen
zum Beispiel, unsere Mitglieder.
Also, wir empowern sie, dass sie im Zweifel
auch selber für ihre
Rechte eintreten können.
Wir haben einige Projekte, zum Beispiel
jetzt das Projekt "ÖPNV für alle", also
speziell, was Barrierefreiheit
im ÖPNV anbelangt.
Es gab ein Projekt "barrierefreie Fernlinienbusse".
Ja, also, das ist ein ganz
großes Thema bei uns, Barrierefreiheit.
Was machen wir noch?
Beratung durch Ehrenamtliche,
also sprich, es gibt bei uns für die
Einzelnen - ja wie soll man sagen? -
es gibt Fachteams, so nennen wir die. Es
gibt also Fachteam Gesundheit, Soziales
, Bauen und Mobilität zum Beispiel.
Und für diese einzelnen
Dinge führen wir Beratungen durch.
Sowohl Ehrenamtliche als auch
Hauptamtliche sind da organisiert.
Und das sind halt alles Ehrenamtliche, die
da mit sehr viel Engagement und
auch sehr viel Wissen dabei sind.
Also,
gerade was barrierefreies Bauen anbelangt,
ist das nicht ganz so einfach und da haben
wir einen ganz großen Wissens-Pool.
Und ja, wenn Bedarf besteht, gibt es auch
Beratungen bei Rechtsanwälten,
mit denen wir kooperieren.
Also,
solche Sachen machen wir da.
Ja, sehr schön.
Klingt auf jeden Fall sehr vielfältig und
auch, neben dem hauptamtlichen Engagement,
nach viel guter Selbsthilfe und
Ehrenamt, was ich immer toll finde, weil,
da kommen ja dann auch so dieser PEER-Aspekt und
die Solidarität und so
ein bisschen zum Tragen.
Ja, klingt gut und sehr interessant.
So, jetzt kommen wir zum eigentlichen
Thema unseres Podcasts, nämlich
das Thema "Grad der Behinderung".
Und ich würde sehr gerne erst mal von dir
wissen: Wie definiert man eigentlich
den Grad der Behinderung?
Was ist das überhaupt und
wie kann man den erklären?
Also so, dass jeder Mensch mit
Beeinträchtigung das irgendwie
nachvollziehen kann, was das
eigentlich genau sein soll?
Also, es gibt eine ganz technische,
rechtliche Definition, die ist im
§2, SGB 9,
kann im Zweifelsfall auch jeder nachlesen.
Und da steht im Endeffekt,
Menschen mit Behinderung sind Menschen,
die körperliche, seelische, geistige oder
Sinnes-Beeinträchtigungen haben, die sie
in Wechselwirkung mit einstellungs- und
umweltbedingten Barrieren an der
gleichberechtigten Teilhabe an der
Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit
länger als sechs Monate hindern können.
So, das ist sozusagen "Was ist Behinderung?".
Der Grad der Behinderung gibt im Endeffekt
an, wie hoch oder niedrig diese
Behinderung einzustufen ist.
Und wenn man es einfach ausdrücken will,
dann sagt der Grad der Behinderung aus, in
welchem Umfang Menschen aufgrund
bestehender Beeinträchtigungen auf
Barrieren stoßen, die sie in ihrer
Teilhabe an der Gesellschaft länger
als sechs Monate beeinträchtigen.
Also, es reicht eben halt nicht eine kurze
Zeit, sondern es muss halt voraussichtlich
länger als sechs Monate andauern.
Und es geht im Endeffekt immer darum, auf
welche Barrieren stoße ich im Alltag,
also nicht nur im Berufsleben, sondern
im gesamten Alltag, sozusagen
aufgrund meiner Beeinträchtigung?
Die Schwere oder
der Grad der Behinderung drückt sozusagen
aus, wie sehr ich
beeinträchtigt werde,
wenn ich auf Barrieren stoße.
Ah ja.
Schwierig, irgendwie so auszudrücken.
Kann ich noch mal kurz was dazu fragen?
Eine provokante Gegenfrage, und zwar:
also nach deiner Definition oder nach der
Definition des SGB 9 wäre
es dann ja aber theoretisch so,
dass, gäbe es keine Barrieren, dann müsste
es auch keinen Grad der Behinderung geben?
Oder ist das so eine Mischform von
Funktionsbeeinträchtigung und Barriere?
Oder wie muss ich mir das vorstellen?
Ich weiß halt nicht, inwieweit
der Gesetzgeber hier was ändern
würde, wenn es keine Barrieren gäbe.
Also, sprich, würde sozusagen ein Grad der
Behinderung und eine Behinderung überhaupt
nicht vorliegen, wenn es
gar keine Barrieren gäbe?
Das wäre Glaskugel lesen.
Das wissen wir natürlich nicht.
Die rechtliche Regelung ist ganz klar,
dass gesagt wird, Menschen mit einer
Behinderung, wenn sie
eine Beeinträchtigung haben,
die sie in Wechselwirkung mit einstellungs-
und umweltbedingten Barrieren an der
gleichberechtigten Teilhabe an
der Gesellschaft hindern können.
Das heißt, so wie der Gesetzgeber
das sagt, sind die Barrieren,
ich nenne das jetzt mal so provokant,
wichtig dafür, dass man ein
Mensch mit einer Behinderung ist.
Ob der Gesetzgeber
hier was anderes dann
überlegen würde oder was anderes
reinschreiben würde, wenn es eine
100% barrierefreie Gesellschaft gäbe,
kann ich beim besten
Willen nicht einschätzen.
Weiß ich nicht.
Aber wenn, also das ist ja einmal die
Definition der eigentlichen Behinderung,
also des Wortes, des
Begriffes Behinderung.
Aber wenn ich jetzt sage, okay, der Grad
der Behinderung, der wird ja irgendwie
gemessen und in 10er-Schritten, wo
irrtümlicherweise oft angenommen wird, das
wären Prozent, was aber
so nicht gemeint ist.
Aber wie definiert sich denn
dieser Grad der Behinderung, also aus
welchen Komponenten setzt er
sich zum Beispiel zusammen?
Er setzt sich aus verschiedenen
Komponenten zusammen.
Also, es gibt
diese sogenannte Versorgungs-Medizin-
Verordnung mit den versorgungsmedizinischen Grundsätzen.
Und da ist es so, dass es
teilweise Diagnosen, teilweise geht es um
Körperregionen sozusagen, in denen Defizite
oder Beeinträchtigungen vorliegen.
Also, ein klassisches Beispiel, sage ich
jetzt mal: Ich habe einen Unfall gehabt und
habe eine Querschnittslähmung.
Dann finde ich das unter
Nervensystem und Psyche.
Da stehen halt zum Beispiel solche Sachen
drin wie Lähmungserscheinungen
oder Teil-Lähmungserscheinungen.
Und da wird halt geguckt,
wie umfangreich sind die
Lähmungen oder
Teil-Lähmungserscheinungen und welche
Beeinträchtigungen im Alltag
spiegeln sich dadurch wider?
Und dann wird entsprechend gesagt, ob es
zum Beispiel 30 oder 40 oder 70 oder
100 womöglich ist, ein GdB 100. Und danach
richtet sich sozusagen
die Einschätzung des GdB.
Also, es wird zum einen geguckt,
welche Körperregion ist betroffen?
Was ist betroffen, also wie groß ist
das Ausmaß? Und, wie sehr
schränkt es mich im Alltag ein?
Also, so eine Mischform aus der, zum
Beispiel, Funktionsbeeinträchtigung der
Körperfunktionen oder Sinnesbeeinträchtigungen
und dem, was hat das für
eine Auswirkung auf meinen Alltag?
Ah ja, okay.
Und gibt es da,
also bei dieser Versorgungs-Medizin-
Verordnung, den
versorgungsmedizinischen Grundsätzen,
ist da dann genau aufgelistet,
okay, was bedeutet zum Beispiel bei einer
Querschnittlähmung Grad 40, Grad 50?
Also,
was dann alles nicht mehr
funktionieren sollte, oder?
Also, wie detailliert ist denn das?
Also, wer beurteilt denn das am Ende?
Beurteilt wird was am
Ende durch einen Gutachter.
Und wenn wir jetzt bei der
Querschnittlähmung bleiben, da gibt es
also die Rückenmark-Schäden.
Und da geht es los:
Unvollständige, leichte Hals-Mark-Schädigung mit beidseits geringen
motorischen und sensiblen Ausfällen ohne
Störung der Blasen- und Mastdarmfunktion.
So, das
steht da sozusagen als oberstes.
Und dann steht dahinter 30 bis 60.
Ah ja.
Da sieht man schon, wenn ich dann lese, 30 bis 60,
dass ich dann schon gucken muss,
also, es ist zwar immer noch eine leichte
Hals-Mark-Schädigung ohne oder, nur mit geringen,
motorischen und sensiblen Ausfällen, aber
auch da kann sich das sehr
unterschiedlich auswirken.
Wenn ich also zum Beispiel,
sagen wir mal, ein Goldschmied bin,
und fein ziseliert was arbeiten muss,
dann ist es schon problematisch, wenn ich
geringe motorische Ausfälle habe
und es mich dann natürlich
entsprechend mehr beeinträchtigt
in meinem täglichen Leben, weil ich dann
Probleme damit habe. Währenddessen
womöglich andere, die das viel besser auch
vielleicht kompensieren, mit anderen
Sachen, ganz normal arbeiten gehen und eben
keine größeren
Einschränkungen haben durch diese
motorischen Ausfälle,
dass die dann womöglich nur ein GdB von 30
oder 40 bekommen, währenddessen vielleicht
jemand, der größere Schwierigkeiten hat
mit diesen motorischen Ausfällen,
einen GdB von 50 oder 60 bekommt.
Ah ja.
Und das ist
für einen Gutachter, der ja
im Zweifel den Menschen, der da das
Gutachten bestellt hat, nicht permanent, also
mehrere Tage oder Wochen begleitet,
natürlich schwierig, weil das
nur eine Momentaufnahme ist,
und
er halt auch genau gucken muss, welche
Beeinträchtigungen liegen vor und
auch mit guten Fragen sozusagen das
erfahren muss, welche Beeinträchtigungen vorliegen.
Ja.
Wenn es jetzt so ist, dass ich
also
empfinde, dass ich eine Beeinträchtigung
habe und ich möchte einen GdB beantragen,
erst mal: Wie stelle ich das
überhaupt an, wo gehe ich da hin?
Also, wo kann ich das beantragen?
Aber wie sind dann auch die weiteren
Verfahrensschritte, mit Gutachten
und diesen ganzen Dingen?
Also, grundsätzlich beantrage ich
das beim Versorgungsamt, den GdB.
Das ist in den Bundesländern
teilweise unterschiedlich geregelt.
Manchmal heißt das Landesamt für Soziales
und Versorgung, in den Stadtstaaten,
da ist es wieder anders.
Am besten fragt man sich,
würde ich immer sagen,
also entweder guckt man im Internet,
fragt Google und schreibt GdB
Beantragung und dann das Bundesland dazu,
dann findet man das in der
Regel relativ schnell.
Und, wie gesagt, das ist in der Regel das
Versorgungsamt, wo man das beantragt.
Immer mehr Versorgungsämter haben
die Anträge online verfügbar, so dass man
sie sich entweder selber ausdrucken kann
bzw. teilweise auch schon
am Rechner ausfüllen kann.
Allerdings kann ich dazu nicht
sagen, wie barrierefrei die sind.
Das ist dann, glaub ich, auch noch mal das Problem.
Das stimmt.
Ansonsten, sage ich einfach, entweder
anrufen oder hinschreiben und dann
schicken die einem auch die
entsprechenden Anträge zu.
Dann füllt man diesen Antrag aus und in
diesem Antrag werden
allgemeine Sachen abgefragt.
Man muss in der Regel eine Schweigepflichts-
Entbindung für die Ärzte geben.
Das heißt, dass die behandelnden Ärzte
auch die Diagnosen und die
Beeinträchtigungen
dem Amt mitteilen können und auch dem
Gutachter, also nicht dem Amt, sondern
dem Gutachter mitteilen können.
Was ich wichtig finde, ist, dass
zum einen die behandelnden Ärzte, die ich
angebe, darüber auch informiert sind,
dass ich einen GdB beantragen will.
Und was eigentlich fast noch wichtiger
ist, ist wirklich möglichst ausführlich
darzulegen, schriftlich,
welche Beeinträchtigungen ich habe
aufgrund der einzelnen Erkrankungen.
Ja.
Weil nur dann kann der Gutachter, der mich
im Zweifelsfall gar nicht sieht,
auch dementsprechend in seinem Gutachten
feststellen, wie sich die Erkrankung oder
die Behinderung auf meine Teilhabe
an der Gesellschaft auswirkt.
Und das ist das Wichtigste
eigentlich. Da kann man, glaube
ich, nicht genug schreiben.
Also das, was sozusagen da ist an
Platz auf dem Antrag, ist in der Regel
immer zu gering. Und dann
ist das beste eigentlich, sich hinzusetzen
und zu überlegen okay, wo
habe ich die Einschränkungen?
Wo kann ich nicht mehr so teilhaben, wie
ich es gerne möchte und wie ich
es sonst auch gerne gemacht habe?
Also, ich reiche dann diesen Antrag ein. Und
du hast ja gerade gesagt, es wäre wichtig,
das auch ein bisschen
ausführlicher zu begründen.
Und die Antragsformulare
sind ja eher sehr begrenzt
in ihrem Zeilenumfang, den man da so zur
Verfügung hat. Kann man dann auch noch
Schriftstücke einfach als Anhänge da mit
dazu geben und werden die dann in diese
Bewertung mit einbezogen oder fokussieren
die sich nur auf den Antrag selbst?
Wie sind da so deine oder eure Erfahrungen?
Also unsere Erfahrungen sind, dass es
total wichtig ist und dass die Gutachter
auch total dankbar dafür sind, dass solche
extra Anmerkungen, extra
Dokumente mit dabei sind.
Ah ja.
Also, teilweise ist es in den Anträgen
auch so, dass man Dokumente anfügen kann,
wie zum Beispiel Reha-Berichte, Arztberichte,
Krankenhaus-Entlassungsberichte, Krankenberichte,
und so weiter und so fort. Je aktueller
die sind, desto besser, weil einfach dann der
Gutachter im Zweifelsfall sich die nicht
erst noch zusammensuchen muss,
sondern die einfach schon da hat.
Und wenn ich dann diesen Antrag
eingereicht habe,
wie geht's dann weiter?
Weil du gesagt hast, ja, manchmal sieht
einen der Gutachter auch und manchmal aber
entscheidet er einfach nach Aktenlage,
also aufgrund der Berichte. Wie
funktioniert das dann in der Regel?
Also wie geht das dann weiter?
Also, in der Regel ist es nach Aktenlage.
Also es
gibt -
ich muss direkt mal überlegen, ob ich jemals schon
mal jemanden hatte in der Beratung, der
nicht nach Aktenlage - also in der Regel
ist es nach Aktenlage.
Es passiert eher ganz selten, dass
derjenige begutachtet wird in persönlicher
Begutachtung, sondern es ist
in der Regel nach Aktenlage.
Und umso wichtiger ist es wirklich, dass
da ganz klar daraus hervorgeht, was die
Beeinträchtigungen sind und
wo die Teilhabe auch beeinträchtigt ist.
Das bringt mich zu der nächsten
Frage, bevor ich dazu komme,
okay, was passiert dann am Ende, wenn man
dann einen bestimmten
Grad anerkannt bekommt?
Aber, warum ist es überhaupt wichtig, einen
Grad der Beeinträchtigung oder
Behinderung, also den Grad, GdB, der
Behinderung, überhaupt zu beantragen?
Ich meine, man findet es ja
eh schon nicht so geil,
Behinderung ist ja eher so konnotiert,
ja, nix gutes, eher was negatives.
Aber welche Nachteilsausgleiche
kann ich dadurch erhalten?
Oder überhaupt, wie kann ich meine
Beeinträchtigung dadurch besser
bewältigen und damit zurechtkommen?
Ich sage mal, ich bin ja nicht
verpflichtet, einen Grad der Behinderung zu
beantragen, sondern ich mache das ja in
der Regel, weil es eben
Nachteilsausgleiche gibt.
Also, es gibt die unterschiedlichsten
Nachteilsausgleiche.
Je nachdem,
welchen Grad der Behinderung ich
habe, und auch, welches Merkzeichen ich
habe, gibt es da halt die
unterschiedlichsten Nachteilsausgleiche.
Das können so Sachen sein, wie
kostenlose Beförderung im öffentlichen
Nahverkehr oder, wenn ich ständiger
Begleitung bedarf, dass dann die
Begleitperson kostenfrei befördert wird.
Das können Steuervergünstigungen sein,
aber eben auch, wenn ich zum Beispiel
außergewöhnlich gehbehindert bin, dass ich
einen Parkausweis habe und auf einem
Schwerbehinderten-Parkplatz zum Beispiel
parken kann, der in der Regel ja näher
dran an dem Theater oder am Kino ist.
Ich will ja auch ins
Theater und ins Kino gehen.
Und wenn ich dann so weit laufen muss und
das nicht kann, dann
überlegt man sich das ja dann
meistens dreimal, ob man's macht. Und
wenn man dann einen kurzen Weg hat, dann
geht man eben doch noch lieber
ins Kino oder ins Theater.
Also, ist der GdB,
in Teilen jedenfalls, auch schon gekoppelt
an den Erhalt eines
Schwerbehindertenausweises
Sehe ich das richtig?
Andersherum. Der Schwerbehindertenausweis
ist an den GdB gekoppelt.
Genau.
Also, ab einem GdB von 50 bekomme
ich einen Schwerbehindertenausweis, dann
gelte ich auch als schwerbehindert.
Alles darunter, da bekomme ich
keinen Schwerbehindertenausweis.
Das kann sich teilweise
bemerkbar machen auf Arbeit.
Also, wenn, im arbeitsrechtlichen Sinne,
dass ich gleichgestellt werden kann mit
einem Menschen mit Schwerbehinderung.
Das hat dann so ein paar
Vorteile, wenn es um
Schwerbehindertenvertretung geht,
oder überhaupt den Schwerbehindertenstatus in der Firma,
im Betrieb.
Und
ich habe zum Beispiel als Mensch mit einer
anerkannten Schwerbehinderung
mehr Erholungsurlaub und kann eher in
Rente gehen, was für den einen
oder anderen ja auch ganz nett ist.
Ja, na klar.
Und, wenn ich das jetzt alles eingereicht
habe, der Gutachter dann letztlich
vielleicht nach Aktenlage entscheidet,
vielleicht schreiben die einem ja auch manchmal,
dass sie sagen, okay, wir brauchen noch
andere Berichte, um besser
entscheiden zu können? Oder
wie läuft das so in der Regel?
Genau.
Es läuft in der Regel so:
Ich stelle den Antrag, habe einen ganzen
Stapel Papiere und Dokumente, die ich da
mit einreiche und der Sachbearbeiter
schaut sich das an und wird in der Regel
das alles an einen Gutachter geben.
Und der Gutachter guckt und sagt dann,
okay, entweder kann er eine Entscheidung
treffen mit den Sachen, die da sind, oder
er sagt, ich muss mir noch ein besseres
Bild machen, ich brauche noch andere
Unterlagen und die
werden dann angefordert.
Es gibt dann die Möglichkeit, dass man das
dann direkt, dass der Gutachter, bzw. das
Amt, das direkt anfordert, beim
behandelnden Arzt zum Beispiel, dass
die noch mal ein Gutachten haben wollen.
Und in
der Regel habe ich ja mit dem Antrag ein
Einverständnis gegeben, dass die
behandelnden Ärzte, die ich auch benennen
muss in dem Antrag, Auskunft über meinen
Gesundheitszustand und über
meine Einschränkungen geben
können.
So, und dann hat der Gutachter das alles
zusammen, schreibt ein Gutachten,
mit einer Empfehlung für den GdB,
und der Sachbearbeiter wird, in der
Regel, diese Empfehlung übernehmen.
Okay.
Und dann kriege ich Bescheid.
Und wenn der Gutachter die Empfehlung
ausgesprochen hat und der Sachbearbeiter,
der meistens folgen wird, dann
bekomme ich ja diesen Bescheid.
Und da steht dann drin,
Sie haben einen Grad der Behinderung, zum
Beispiel von 70 aufgrund
der und der unterschiedlichen
Funktionsbeeinträchtigungen,
oder wie muss man sich dieses
Schreiben dann vorstellen?
Also diesen Feststellungsbescheid,
oder wie man das nennt?
Wie nennt man das denn?
Das ist ein Feststellungsbescheid,
ein ganz normaler Feststellungsbescheid.
Da wird festgestellt, dass man zum einen
einen Grad der Behinderung von X hat.
Dann werden die entsprechenden
Punkte aufgezählt, die
in diesen Bescheid eingeflossen sind,
also die entsprechenden
Beeinträchtigungen.
Es wird angegeben, in welchem Umfang die
sozusagen in die Bewertung des Grades
der Behinderung eingeflossen sind.
Also, das wird jetzt nicht
aufsummiert bis, weiß ich nicht, GdB 500
oder so, sondern bei GdB 100 ist Schluss.
Das heißt es wird als erstes geguckt,
welche Einschränkung oder welche
Beeinträchtigung hat die größte
Einschränkung in der Teilhabe?
Und dann wird geschaut, welche anderen
Beeinträchtigungen wirken
sozusagen noch weiter?
In der Einschränkung erhöhen die
Einschränkungen der
Teilhabe noch zusätzlich.
Und dann wird daraus ein Gesamt-GdB
berechnet und der wird
dann halt mitgeteilt.
Und dann wird halt mitgeteilt, welche.
In der Regel sind das wirklich
Erkrankungen oder eben Einschränkungen,
die man, die dann
benannt werden im Bescheid.
Ah ja.
Okay, dann habe
ich also diesen Bescheid.
Dann weiß ich zum Beispiel, ich habe jetzt
einen GdB, einen Grad
der Behinderung, von 70.
Der wird ja immer so in
Zehner-Schritten angegeben.
Kriege ich dann automatisch einen
Schwerbehindertenausweis und alle
Nachteilsausgleiche, die daraus erwachsen
oder muss ich mich dann selber darum
kümmern, dass es irgendwie weitergeht?
Also der
Schwerbehindertenausweis, der kommt, wenn
ich einen GdB über 50, also in unserem
Fall 70, habe, der wird mir automatisch
zugestellt.
Wenn ich ein Merkzeichen haben möchte,
das kann ich sozusagen in dem Antrag, den
ich da habe, noch mit ankreuzen, dass ich
zum Beispiel ein Merkzeichen
haben möchte, wenn ich,
keine Ahnung,
außergewöhnlich gehbehindert bin oder
erheblich gehbehindert bin, dann muss
ich entsprechend das noch beantragen.
Oder wenn sich eine Verschlechterung
einstellt, dass ich dann sage, ich möchte
zusätzlich noch zu einem GdB von 70
ein "G" als Merkzeichen zum Beispiel dazu haben.
Ja.
"G" steht für was?
"G" steht für erheblich gehbehindert.
Ah ja, okay, alles klar.
Ja, sehr gut.
Also, da gab es ja irgendwie "G" und "AG".
Sehe ich das richtig?
Also außergewöhnlich gehbehindert und
gehbehindert, oder wie waren
da die Differenzierungen, zum Beispiel?
Genau.
Also, es gibt "AG",
außergewöhnlich gehbehindert.
Dann gibt es ein "B" für Notwendigkeit
ständiger Begleitung, ein "BL" für Blind.
Ein einfaches "G" für erheblich
gehbehindert, "GL" für gehörlos.
"H" für hilflos.
"RF" Ermäßigung des Rundfunkbeitrags
und "TBL" taubblind.
So, diese
Merkzeichen gab es. Also, nicht
gab es, sondern gibt es ja immer noch.
Genau.
Und da muss man halt bestimmte
Voraussetzungen erfüllen, um
diese Merkzeichen zu bekommen.
Alles klar.
Ja, das hatten wir ja so ein bisschen
schon in der vorletzten Folge mit Jenny
Bießmann von der ergänzenden unabhängigen
Teilhabe-Beratungsstelle in Berlin.
Aber gut, dass wir das noch mal klären.
Also, nur nochmal für alle.
Also,
wenn ich einen GdB beantragt habe, einen
Grad der Behinderung, und der liegt über
50, wird mir dieser Schwerbehindertenausweis
automatisch mit zugestellt.
Ich erhalte den auch, aber ich muss selber
ankreuzen, welche Merkzeichen ich
zuerkannt bekommen möchte,
eben aufgrund meiner Beeinträchtigung.
Ist das richtig so?
Genau.
Also im Antrag muss ich das halt
ankreuzen.
Sehr gut.
Okay. Dann ist es ja so, dass es bei
nicht allen Menschen so glatt läuft mit
der Beantragung des GdB,
sondern, dass manche
Versorgungsämter dann letztlich auch
entscheiden, okay, deine Beeinträchtigung
mag so und so hoch sein,
du magst die und die Beeinträchtigung
oder Behinderung im Alltag erfahren.
Aber wir möchten dir einen geringeren GdB
zuerkennen, als du selber denkst, dass du
ihn verdient hättest oder aufgrund deiner
Beeinträchtigung erhalten müsstest.
Wie sind da so eure Erfahrungen?
Kommt das häufig vor?
Ja, das kommt sehr häufig vor.
Dummerweise kommt das sehr häufig vor.
Ich sage mal, da hilft
eigentlich wirklich nur eins, dass
man sich dieses Gutachten,
also dass man Widerspruch einlegt.
Mit dem Bescheid kommt auch eine
entsprechende Rechtsmittel-Belehrung, das
heißt, man kann einen Widerspruch einlegen.
Dann sollte man einfach schauen, dass man
sich da eine Beratung zu dem Thema holt.
Gerne auch bei der ergänzenden
unabhängigen Teilhabe-Beratung, weil ich
denke, die sind da echt fit,
was das anbelangt.
Oder eben bei den eigenen Verbänden, die
führen ja auch solche Beratungen durch.
Was man zwingend
im Endeffekt machen sollte, ist wirklich,
dieses Gutachten sich schicken lassen vom
Amt, welches sozusagen zur
Einschätzung des GdB geführt hat.
Ah, sehr gut.
Also, man ist auch berechtigt,
dieses Gutachten auch zu erhalten?
Ja, natürlich.
Ja, gut.
Also, auch, wenn man sich
noch überlegt, mache ich das jetzt
oder mache ich das nicht,
dass ich Widerspruch einlege?
Im Endeffekt sind das drei Sätze.
Hiermit lege ich gegen den Bescheid
vom soundsovielten Widerspruch ein.
Bitte schicken Sie mir das Gutachten. Dann
kann man sich überlegen und anhand des
Gutachtens einfach gucken, was hat der
Gutachter nicht so beachtet oder nicht
so gewürdigt in seinem Gutachten, wie
er es eigentlich hätte würdigen müssen.
Genau, man hat ja erst mal diesen
Widerspruch einfach eingelegt, damit
erst mal klar ist, okay,
das möchte ich so nicht.
Das stimmt hier alles so nicht.
Und dann schaut man sich das Gutachten an
und sieht, wie du gesagt hast, okay,
das wurde nicht entsprechend gewürdigt.
Dann? Was tut man dann?
Schreibt man dann eine längere Begründung,
warum das so nicht stimmen kann?
Oder wie geht es dann weiter?
Genau.
Ich sage in der Beratung dann
immer, wenn man das Gutachten hat, sollte
man es wirklich ganz genau durchlesen
und dann wird es auseinander gepflückt.
Ja.
Also wirklich so, dass man sich genau
anschaut, was hat der Gutachter
festgestellt, wie würdigt er die einzelnen
Einschränkungen und Beeinträchtigungen?
Wie würdigt er die und wo
würdigt er die einfach nicht,
nicht richtig?
Also, aus was für Gründen auch immer,
das sei jetzt mal dahingestellt.
Und genau das muss ich
halt wirklich aufführen.
Jedes einzelne, dass ich sagen muss,
okay, hier hat er
das zwar richtig erkannt, die
Einschränkung, aber die muss so und so
gewürdigt werden, weil aus den
und den Gründen führt es dazu,
dass ich stärker in der Teilhabe
beeinträchtigt bin, als
der Gutachter das annimmt.
Und so muss man da wirklich
Stück für Stück sich das Gutachten nehmen
und schauen, was hat der Gutachter
reingeschrieben, wo hat er nicht richtig
gewürdigt und wie
sieht man das anders und mit welcher
Begründung sieht man das anders?
Und um dann auch noch mal zu gucken,
hat er wirklich alles gewürdigt?
Oder fehlt etwas? Fehlen irgendwelche Einschränkungen?
Ja.
Die man dann sozusagen
nochmal mitteilen kann.
Und im Zweifelsfall
kann man dann auch noch mal mit den
behandelnden Ärzten darüber reden, ob die
dann auch noch mal von medizinischer Seite etwas dazu schreiben können.
Okay, gut. Dann reicht
man das wieder ein. Und wie
sind dann so eure Erfahrungen?
Also, wird dem dann auch stattgegeben und
dann zum Beispiel der GdB erhöht
aufgrund meiner Begründung?
Oder muss man manchmal auch vor das
Sozialgericht ziehen, um
das dann einzuklagen?
Oder wie läuft das so
in der Regel?
Also, ich würde jetzt sagen, es gibt
bestimmt 50 % der Fälle, die bei uns
ankommen, wo dann dem
Ganzen stattgegeben wird.
Entweder so vollumfänglich, also, wo man dann sagt,
okay, damit kann ich gut leben, das
ist das, was ich mir vorgestellt habe,
oder zumindest in Teilen.
Aber es gibt halt auch einige, die dann
wirklich vor das Sozialgericht gehen.
Dann muss man halt auch entsprechend in
der Frist beim Sozialgericht
Klage einreichen.
Auch da ist es halt so, es besteht
nicht grundsätzlich Anwaltszwang
beim Sozialgericht.
Es ist aber empfehlenswert, sich einen
Fachanwalt für Sozialrecht zu nehmen,
weil das, glaube ich, ganz
schön aufreibend ist.
Also, das ist, glaube ich, für die
Psyche ganz schön aufreibend und von daher
ist es doch zu empfehlen.
Meistens kriegt man vor
den Sozialgerichten recht.
Meistens.
Also ich habe einige jetzt
schon gehabt,
es hat lange gedauert, also
teilweise vier, fünf Jahre.
Ja, also auch vor dem Hintergrund ist es
ganz gut, wenn man einen Rechtsanwalt hat,
weil man einfach die Sachen dann abgeben
kann, dass man dann zumindestens
auch rückwirkend, weil der Antrag
läuft ja dann schon seit vier, fünf Jahren
sozusagen, und dann halt
auch rückwirkend entsprechend
den Grad der Behinderung, den
man beantragt hat, bekommt.
Du hattest gerade erwähnt, es gibt ja
immer Fristen, es gibt ja einmal Fristen,
um Widerspruch einzulegen und dann
letztlich auch Fristen, um vor das Gericht zu
ziehen, also einzuklagen,
Klage einzureichen.
Wie sind da die Fristen?
Also, bei der Widerspruchsfrist sind das
vier Wochen, nein ein Monat, sorry!
Vier Wochen und ein Monat,
nicht zu verwechseln! Bei der Klagefrist
ist das auch noch mal ein Monat.
Ah ja, okay.
Also, man muss sich
da ein bisschen ranhalten.
Also, heißt das letztlich,
ich habe zum Beispiel meinen Bescheid
bekommen, mit der Feststellung des GdB,
dem ich nicht entspreche,
also, wo ich selber finde, es ist zu wenig,
am 30.
Mai. Also kann ich bis zum 30.
Juni Widerspruch einreichen und müsste
aber dann, wenn ich dann wieder einen
Bescheid erhalte, der irgendwie
immer noch nicht positiv ist, bis zum 30.
Juli Klage einreichen beim Sozialgericht?
Nein.
Also, ich krieg
einen Bescheid und wenn mir der am 30.
Mai zugestellt wird, muss ich bis 30.
Juni Widerspruch bei der
Behörde eingereicht haben.
Dann warte ich und warte und warte und
warte, weil, in der Regel gibt es
einen Widerspruchsausschuss, der,
naja, ist unterschiedlich, aber teilweise
tagen die nur alle 2 bis 3 Monate, wo
dann die ganzen Widersprüche
behandelt werden.
Das heißt, ich kann damit rechnen, dass
ich irgendwie nach einem Vierteljahr
vielleicht einen Bescheid kriege, einen Widerspruchsbescheid.
Und in diesem Widerspruchsbescheid
steht wieder eine
Rechtsmittel-Belehrung drin.
Sie können Klage einreichen innerhalb
eines Monats nach Zugang des Widerspruchsbescheides.
Dann,
wenn ich also jetzt, sagen wir mal, am
19. September, den Widerspruchsbescheid
bekommen habe, dann habe ich bis 19.
Oktober Zeit, Klage einzureichen.
Ja.
Und auch dann kann ich das so machen,
wenn ich mich da sozusagen kurzfristig entscheide,
und so kurz vor knapp,
kann ich entweder zum Sozialgericht
hingehen und sagen, ich möchte gegen diesen
Bescheid Klage einreichen und dann gibt es
die
Rechtsmittelstelle, die sozusagen bei der
Formulierung der Klage behilflich ist.
Oder man versucht sich selber damit und
schreibt, ich möchte Klage einreichen, und
schreibt da rein, was man beantragen möchte.
Also, die Empfehlung ist eher natürlich,
das mit einem Anwalt zu machen.
Wenn es aber wirklich zu knapp ist oder
man noch nicht
den richtigen Anwalt gefunden hat,
dann kann man das durchaus so machen, dass
man zum Gericht geht, zum Sozialgericht
geht, und sagt, hier, ich möchte gerne Klage
einreichen gegen den Bescheid
und dann helfen die einem auch.
Wahnsinn.
Okay, so funktioniert das
Du hast ja gesagt,
okay,
man kriegt ja eigentlich am Anfang schon
ein Schreiben, wo ein GdB festgestellt
wurde, der einem aber nicht zusagt.
Kriegt man dann trotzdem
über die Dauer hinweg,
wenn man jetzt Klage einreicht und das
alles so viel Zeit in Anspruch nimmt,
kann man diesen GdB dann schon nutzen oder
muss man wirklich warten, bis sich
das ganze letztlich entschieden hat?
Also, verstehst du ein
bisschen, wie ich das meine?
Ja.
Ich verstehe das.
Man muss warten.
Ja.
Also, das ist halt so, dass
man, wenn man noch keinen GdB hatte,
noch keinen Grad der Behinderung hatte,
es ist einer festgestellt worden,
beispielsweise ein Grad der Behinderung
von 40, und ich bin aber der Meinung, nein es ist
60. Ich lege Widerspruch ein, dann habe
ich diesen Grad der Behinderung ja noch
nicht, sondern ich habe ja gegen
den Bescheid widersprochen.
Und dann dauert das im Endeffekt wirklich
so lange, bis ich
entweder im Widerspruchsverfahren oder im
Klageverfahren dann meinen
Grad der Behinderung habe.
Der ist dann zwar rückwirkend. Also, wenn
das ganze vier Jahre dauert, dann
ist es zwar rückwirkend.
Ja, und dann kann ich auch sämtliche Nachteilsausgleiche
rückwirkend geltend machen.
Aber ich habe dann erst mal
keinen Grad der Behinderung.
Okay. Also braucht man einen langen Atem,
manchmal. Ja.
Gut.
Okay.
Du hast es schon angesprochen.
Es kommt ja immer so ein bisschen
darauf an auf die
Beeinträchtigungen, die man hat.
Es gibt ja befristete Grade der
Behinderung oder welche,
die auch entfristet sind.
Wo ist denn da der Unterschied?
Also,
wann ist man befristet und
wann ist der dauerhaft, dieser GdB?
Also, befristet ist er in der Regel, wenn
eine sogenannte Heilungsbewährung
ausgesprochen wird.
Heilungsbewährung werden in der Regel bei
Tumorerkrankungen ausgesprochen und
die sind in der Regel fünf Jahre.
Das heißt, nach fünf Jahren
wird dann meistens der GdB gesenkt bzw.
wird darauf aufmerksam gemacht, dass die
Heilungsbewährung endet und
dann entsprechend nochmal
neu geguckt, ob irgendwelche
Schäden zum Beispiel aus der
Tumorerkrankungen noch weiter
einen höheren GdB beinhalten
oder nicht, oder
rechtfertigen oder nicht.
Ja.
Es ist so ein ganz typisches
Beispiel, wenn es um
Befristungen geht.
Ansonsten werden Befristungen
ausgesprochen,
wenn zu erwarten steht, dass sich der
Gesundheitszustand verbessert.
Also, wenn es zwar länger als sechs
Monate andauert, aber
gesagt wird, na ja, es steht zu erwarten,
dass sich der Gesundheitszustand
aber bessert.
Und dann werden teilweise auch
Befristungen ausgesprochen.
Wir haben vorhin schon mal gesprochen über
die Versorgungs-Medizin-Verordnung,
wo genau definiert ist, welchen Grad der
Behinderung man erhalten kann, mit welcher
Beeinträchtigung, welchen
Funktionsstörungen, die den Alltag, oder in
Kombination mit Barrieren im Alltag,
das eigene Leben beeinträchtigen.
Es gibt ein bisschen Kritik an dieser
Versorgungs-Medizin-Verordnung.
Worin besteht die denn?
Und die soll ja überarbeitet werden.
Was wird denn da kritisiert?
Na ja, die sollte ja schon
mehrfach überarbeitet werden.
Es scheiterte immer an den Verbänden
bzw. daran, dass das, was überarbeitet
wurde, irgendwie nicht das war,
was wir uns vorgestellt hatten.
Ja.
Ja, aber der größte Kritikpunkt ist im
Endeffekt gewesen, dass,
es gibt also einen Beirat zur Versorgungs-
Medizin-Verordnung, und
zwar einen Ärztlichen Beirat.
Und wie das Wort ärztlich schon sagt, sind
in diesem Beirat ausschließlich
Ärztinnen und Ärzte.
Und das ist für Verbände natürlich
wahnsinnig schwierig, in diesem Beirat sich
zu beteiligen, wenn ausschließlich
Ärztinnen und Ärzte zugelassen sind.
Das war so der erste Kritikpunkt.
Der zweite Kritikpunkt war, dass zwar
versucht wurde, die ICF irgendwie mit
aufzunehmen, aber sie halt doch
nicht konsequent umgesetzt wurde.
Ein sehr, sehr großer
Kritikpunkt ist gewesen, dass eine
Regelung drin war, dass
die generelle Bemessung einer Funktionseinschränkung
unter Einsatz jeglicher
Hilfsmittel festgestellt werden sollte.
Also, die Bemessung der
Funktionseinschränkung unter Einsatz der
bestmöglichsten Hilfsmittel-Versorgung.
Ja und jetzt wissen wir alle, dass, wenn
ich gesetzlich krankenversichert bin, ich
nicht das bestmögliche
Hilfsmittel bekomme.
Aber der GdB sollte sich nach der
bestmöglichen Hilfsmittel-Versorgung
richten. Und das passt hinten
und vorne nicht zusammen.
Das heißt, wenn ich
zwar, keine Ahnung,
unterschenkelamputiert bin, beidbeinig,
und eine supertolle Prothese
habe, dann habe ich keinen GdB.
Aber diese supertolle Prothese bekomme ich
im Zweifelsfall ja nicht, wenn ich nur
gesetzlich krankenversichert bin. Und das ist so,
was überhaupt nicht geht.
Dann waren bei der Heilungsbewährung
noch ein paar Neuregelungen und teilweise
auch einzelne Indikations-Bereiche und
auch da besteht noch Ergänzungsbedarf.
Und es gab eine ganz vehemente Ablehnung
dieser Überarbeitung der Versorgungs-
Medizin-Verordnung vonseiten der Verbände,
sodass das Ministerium
dann erst mal einen Rückzieher gemacht hat.
Und jetzt warten wir ganz gespannt
darauf, was als nächstes kommt.
Oh ja. Dann eine ganz abschließende Frage:
Was wünschst du dir denn selber als
Mitarbeiterin beim BSK und auch durch
deine eigenen Erfahrungen, wie die Politik
handeln müsste, damit das Leben von
beeinträchtigten Menschen
grundsätzlich einfach besser wird?
Also, was ich richtig gut finden würde,
wenn sich Menschen mit Behinderungen nicht
immer rechtfertigen müssen, warum, wieso,
weshalb sie welche Leistungen
beantragen und zu bekommen haben.
Das ist so das eine. Und das andere, wünsche
ich mir einfach, auch gerade im Hinblick
auf einen Grad der Behinderung,
dass die Sachbearbeiter einfach,
ja, also, manchmal hat man das Gefühl, die
sind nicht empathisch genug, dass
dann die Sachbearbeiter einfach
mehr empathischer sind auch den
Menschen mit Behinderung gegenüber und
sich versuchen, da hineinzuversetzen.
Und man merkt, glaube ich, ganz genau, wenn
jemand selber Erfahrungen hat mit einer
Behinderung, vielleicht sogar mit der
Behinderung, die jetzt so gerade
als Antrag auf dem Tisch liegt,
dann hat er ein ganz
anderes Verständnis dafür.
Und das wünsche ich mir eigentlich, dass
das bei allen da ist und dass es in der
Gesellschaft einfach auch ankommt,
dass man sich nicht immer rechtfertigen
muss, wenn man bestimmte Leistung
haben möchte oder nicht.
Ja. Ganz herzlichen Dank.
Das war ein wirklich tolles und, auch für
mich, sehr aufschlussreiches Interview
und ganz vielen Dank dafür.
Wir werden auch den BSK
in unseren Podcasts-Infos verlinken und
ich danke Dir ganz herzlich und wünsche dir
eine wunderbare Zeit. Danke.
Das war unsere Folge zum
Thema "Grad der Behinderung".
Ich hoffe, es hat euch und Ihnen gefallen.
In den nächsten Folgen wird es um die
Themen "Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz"
und "Behinderten-
Gleichstellungsgesetz" gehen.
Ich hoffe,
ihr geht wieder online, schaltet sozusagen
wieder ein und ich wünsche euch
bis dahin eine wunderbare Zeit.
Dieser Podcast wird ermöglicht durch die
Förderung vom Bundesministerium
für Arbeit und Soziales.
Das lasse ich mir nicht bieten.
Der Podcast über Wege durch den Rechtedschungel.
Eine Produktion von ISL-
Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben
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Kontaktaufnahme über die Webseite www.isl-ev.de.