Die Schlichtungsstelle für das Behindertengleichstellungsgesetz
Interview von Jessica Schröder mit Rolf Fischer Mitarbeiter der Schlichtungsstelle
09.10.2022 62 min
Zusammenfassung & Show Notes
In dieser Podcast Folge klären wir euch über die Funktion, die Aufgaben und die Verfahren der Schlichtungsstelle zum Behindertengleichstellungsgesetz auf. Diese Schlichtungsstelle schlichtet in allen Streitfragen die Regelungsbereiche des Behindertengleichstellungsgesetzes betreffen. Streitfragen zu Themen wie bauliche Barrierefreiheit von öffentlichen Bundesgebäuden, den Zutritt von Assistenzhunden in Supermärkten oder das Recht auf die Kommunikation in leichter Sprache bei Bundesbehörden, können behinderte Menschen bei der Schlichtungsstelle außergerichtlich durchsetzen. Rolf Fischer Mitarbeiter der Schlichtungsstelle erklärt uns anschaulich wie das genau funktioniert und warum Schlichtungen so ein gutes Instrument sein können, um unser Recht auf gesellschaftliche Teilhabe durchzusetzen.
Die Schlichtungsstelle für das Behindertengleichstellungsgesetz
In dieser Podcastfolge klären wir euch über die Funktion, die Aufgaben und die Verfahren der Schlichtungsstelle zum Behindertengleichstellungsgesetz auf. Diese Schlichtungsstelle schlichtet in allen Streitfragen die Regelungsbereiche des Behindertengleichstellungsgesetzes betreffen. Streitfragen zu Themen wie bauliche Barrierefreiheit von öffentlichen Bundesgebäuden, den Zutritt von Assistenzhunden in Supermärkten oder das Recht auf die Kommunikation in leichter Sprache bei Bundesbehörden, können behinderte Menschen bei der Schlichtungsstelle außergerichtlich durchsetzen. Rolf Fischer Mitarbeiter der Schlichtungsstelle erklärt uns anschaulich wie das genau funktioniert und warum Schlichtungen so ein gutes Instrument sein können, um unser Recht auf gesellschaftliche Teilhabe durchzusetzen.
Weitere Informationen zum Gesetz und zur Schlichtungsstelle unter:
Transkript
Fragen über Fragen.
Nach über 100 Bewerbungen
wurde ich noch immer nicht für ein
Bewerbungsgespräch eingeladen.
Woran liegt das?
Warum hat mein Spielplatz
keine gute Rampe?
Wieso dauert es eine Ewigkeit,
bis ich meinen elektrischen
Rollstuhl bewilligt bekomme?
Das lasse ich mir nicht bieten.
Der Podcast über Wege
durch den Rechtedschungel.
Mit diesem Podcast möchten wir gemeinsam
auf die Suche nach
einigen Antworten gehen.
Konkret setzen wir uns mit der UN-
Behindertenrechtskonvention auseinander
und schauen, wie diese im Sozialrecht, im
Arbeitsrecht oder in anderen
Rechtsbereichen durchgesetzt wird.
Dieser Podcast möchte behinderte Menschen
darin unterstützen,
ihre Rechte effektiv durchzusetzen,
Fremdbestimmung entgegenzuwirken
und Selbstbestimmung zu fördern.
Hallo und herzlich willkommen
zum Podcast der Interessenvertretung
Selbstbestimmt Leben - das
lasse ich mir nicht bieten.
Wege durch den Rechtedschungel.
Heute sprechen wir mit Rolf Fischer
von der Schlichtungsstelle,
die in Streitfragen
bezüglich des Behinderteng
leichstellungsgesetzes schlichtet und beim
Beauftragten für die Belange von Menschen
mit Behinderung
der Bundesregierung angesiedelt ist.
Und das Behindertengleichstellungsgesetz
gibt es ja schon seit 2002.
2016 wurde es noch mal kräftig reformiert.
Da wurde zum Beispiel eine Bundesf
achstelle Barrierefreiheit eingerichtet,
die Unternehmen
berät, in Fragen der Barrierefreiheit,
aber auch mit auf neue Gesetze schaut,
auch mit unterstützt, wenn es um
digitale Barrierefreiheit geht.
Zum Beispiel gibt es dort
eine Art Unterabteilung, nämlich die Ü
berwachungsstelle für die Barrierefreiheit
von digitaler Informationstechnik.
So ähnlich heißt die, glaube ich.
Und viele weitere gute Neuerungen, zum
Beispiel, dass auch Assistenzhunde jetzt
überall mit rein dürfen, egal ob das
Träger sind, die öffentlich-rechtlich
organisiert sind, wie zum Beispiel
Bundesbehörden oder ob das Geschäfte sind,
Assistenzhunde und Blindenhunde dürfen
jetzt überall mit rein und
müssen überall mit rein.
Dann gibt es natürlich noch so einige
weitere Neuerungen, zum Beispiel, dass das
Recht auf Leichte Sprache
stärker in den Fokus rückt und Menschen,
die auf Leichte Sprache angewiesen sind,
diese jetzt auch einfordern können,
wenn es um mündliche oder schriftliche
Kommunikation mit Behörden geht.
Und ein sogenannter Partizipation-Fonds
wurde eingerichtet, damit vor allem
Selbstvertretungs-Organisationen stärker
gefördert werden
auf Bundesebene, zum Beispiel um
politische Arbeit zu machen und Projekte
zu machen, die andere Menschen mit
Beeinträchtigungen empowern helfen
und empowern sollen.
Und es gibt noch weitere Neuerungen, die
ich im nächsten Podcast vorstellen möchte
und dazu auch eine
Interviewpartnerin habe.
Wen, verrate ich noch nicht.
Aber dieses Mal geht es erst mal ganz
praktisch darum,
was passiert eigentlich, wenn meine Rechte
des Behindertengleichstellungsgesetzes
nicht wirklich ernst genommen werden und
sich einfach die öffentlich- rechtlichen
Träger, oder auch privat-rechtliche Träger
im Fall von Assistenzhunden,
nicht daran halten?
Also, wenn zum Beispiel eine Bundesbehörde
immer noch nicht barrierefrei ist, wenn es
eine Bundesbehörde immer noch nicht auf
die Reihe kriegt, ihr Internetangebot
barrierefrei zu gestalten.
Das müssen die Bundesbehörden nämlich
auch, einmal ihre Internetangebote, also
was finde ich im Web auf einer
Internetseite, aber auch ihre mobilen Apps
und auch ihre Intranet-Angebote, also auch
die Angebote für Mitarbeitende vor
Ort, müssen jetzt barrierefrei sein.
Aber, viele haben es vielleicht schon
gemerkt, klappt nicht immer so gut, und
deshalb gibt es die Schlichtungsstelle.
Die Schlichtungsstelle berät in allen
Fragen
des Behindertengleichstellungsgesetzes
betreffend insofern, dass sie versucht,
zwischen dem Menschen mit
Beeinträchtigung, der sich in seinen
Rechten verletzt fühlt
und der gegnerischen Partei, zum Beispiel
der Behörde, zu schlichten und eine
gütliche Einigung zu erzielen. I
n welchen Bereichen
die Schlichtungsstelle alles aktiv werden
kann, was der Mensch mit Beeinträchtigung
dafür tun muss, damit überhaupt so eine
Schlichtung zustande kommen kann, was es
für unterschiedliche Schlichtungsformen
gibt, und vieles mehr, hört
Ihr im folgenden Interview.
Ganz herzlichen Dank, Herr Fischer, dass
Sie heute mein Gesprächspartner sind.
Ich habe Sie in der Anmoderation schon
kurz vorgestellt, aber
wir freuen uns ja immer sehr, wenn wir von
den Menschen, die wir interviewen, auch
selbst noch mal hören, wer Sie eigentlich
sind, was Sie motiviert hat, bei der
Schlichtungsstelle zu arbeiten, w
as Sie sonst so gemacht haben in ihrem
Leben und was Sie überhaupt so reizt an
diesem Thema "Menschen mit
Beeinträchtigungen und Barrierefreiheit".
Ich bin 60 Jahre alt, habe in
meinem Leben schon vieles gemacht.
Angefangen habe ich meine berufliche
Laufbahn als Krankenpfleger in der
Universitätsklinik Heidelberg.
Ich habe tatsächlich die Ausbildung
gemacht, habe ein Staatsexamen und habe
dort auch einige Jahre gearbeitet.
Unter anderem zum Beispiel in
der Orthopädischen Klinik dort.
Die war damals sehr berühmt, weil die
Rehabilitation von Querschnittsgelähmten
auf einem hohen Niveau gemacht hat und
Leute aus ganz Europa dorthin kamen.
Da habe ich dann zum ersten Mal auch
Kontakt zu Menschen mit
Behinderung bekommen.
Und sonst natürlich als Krankenpfleger in
den verschiedenen Einsatzgebieten
auch immer wieder.
Dann habe ich im Zentrum für
Rehabilitation in Heidelberg gearbeitet,
eine Weile lang, im dortigen Krankenhaus.
Also, da hatte ich sehr früh Kontakt
mit Menschen mit Behinderungen.
Habe mich dann entschlossen, mich
dann für ein Studium,
und habe Jura gewählt
und das gleiche in Heidelberg
weitergemacht, konnte ich gleichzeitig in
den Kliniken weiterarbeiten und mein Geld
im Krankenhaus verdienen dafür.
Zwei Staatsexamina als Jurist und dann
bin ich nach einiger Zeit, in der ich auch
in der Verwaltung gearbeitet habe, im
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
gelandet,
arbeite dort jetzt seit 20 Jahren,
zum Teil in der Abteilung, die sich über
die rechtlichen Grundlagen für Menschen
mit Behinderungen beschäftigt hat.
Also, ich habe
mitgearbeitet an der Reform des SGB 9,
als es
über das Bundesteilhabegesetz neu gefasst
wurde, und habe aber auch
viele andere Sachen gemacht.
Ich war Redenschreiber, ich habe in der
Öffentlichkeitsarbeit gearbeitet,
eine Zeit lang auch als freier Journalist,
bevor ich ins BMAS gekommen bin.
Also, ich habe einen recht bunten
Strauß in meinem Leben, an Tätigkeiten.
Der kommt mir aber jetzt in
verschiedener Art und Weise zugute.
Ich habe mich jetzt vor einem Jahr zur
Schlichtungsstelle beworben, weil
ich das sehr interessant fand, das Recht
auch in der Anwendung mal zu prüfen.
Ich hatte, als ich dort im BMAS, also im
Arbeitsministerium gearbeitet hatte, immer
das Gefühl,
viele von den Rechten, die wir in die
Gesetze schreiben, kommen bei den Menschen
mit Behinderung gar nicht richtig an!
Also entweder, weil die Behörden sie nicht
umsetzen oder, weil die Menschen
mit Behinderung sie nicht kennen.
Und dieser Eindruck hat sich jetzt auch
in der Schlichtungsstelle
bestätigt, wie ich finde.
Also, ich bin tatsächlich
erstaunt darüber, wie viele Behörden,
gerade im Bereich der digitalen
Barrierefreiheit, immer noch so tun, als
gäbe es keine Menschen, die
irgendeine Beeinträchtigung hätten.
Die machen teilweise Webseiten
wie vor zehn Jahren.
Das andere ist, dass ich auch wiederum
merke, da kommen wir später wahrscheinlich
noch drauf, dass Menschen mit Behinderung
halt oft ihre Rechte noch nicht kennen,
die sie, durch zum Beispiel das
Behindertengleichstellungsgesetz, bekommen
haben, oder zögern, sie umzusetzen.
Ja, das habe ich auch so wahrgenommen und
ich glaube, sehr viele andere
auch aus unserer Szene.
Aber mich freut total, dass Sie so divers
sind in ihrem Lebenslauf und selbst
dadurch schon sehr viel gesehen haben, und
auch Menschen mit Beeinträchtigungen
und teilweise auch pflegebedürftige
Menschen dann wirklich kennengelernt
haben und deren Lebensgeschichte.
Ich finde das immer sehr hilfreich, wenn
man so was auch aus der eigenen
Alltagspraxis so miterleben kann.
Ja, super.
Kommen wir jetzt zum
Behindertengleichstellungsgesetz und der
dort gesetzlich festgeschriebenen
Schlichtungsstelle.
Diese wurde ja 2016 mit
im BGG eingeführt als Regelung.
Und das BGG gibt es aber schon seit 2002.
Also recht lange gab es eben
keine Schlichtungsstelle.
Aus anderen Ländern kennt man das.
Aus Österreich zum Beispiel.
Da gibt es dieses Konzept der Schlichtung
bei öffentlich-rechtlichen
Trägern schon recht lange.
Wie ist das in Deutschland umgesetzt
worden und was gab so den
Anstoß zu dieser Reformierung?
Also, meines Wissens, das war jetzt so vor
meiner Zeit, war der Auslöser, dass man
nach 13 Jahren das BGG
evaluiert hat und geschaut hat, wirken
denn die Maßnahmen, die wir dort
reingeschrieben haben, nehmen die Menschen
mit Behinderung ihre Rechte wahr?
Und man hat festgestellt, dass es weder
die Menschen mit Behinderungen noch die
Verbände für Menschen mit Behinderungen
, wagen, wegen eines Verstoßes gegen die
Rechte aus dem BGG vor Gericht zu ziehen.
Also, sehr, sehr selten.
Deswegen hat man sich überlegt, ich weiß
nicht, ob die Anregung aus Österreich kam
oder woher sie kam,
dass man eben ein niedrigschwelliges
Angebot zur Wahrnehmung der
Rechte schaffen musste.
Und hat deswegen gesagt, also wir schaffen
eine Schlichtungsstelle,
die ist kostenfrei.
Die ist barrierefrei eingerichtet.
Dort werden keine
Fristen oder so auferlegt.
Man kann jederzeit in jeder beliebigen
Form einen Antrag stellen
und es wird versucht, auf gütliche Weise
den Streit zwischen Trägern der
öffentlichen Gewalt und Menschen
mit Behinderungen beizulegen.
Und deswegen wurde 2016
die Schlichtungsstelle eingerichtet.
Dass man sagte,
es braucht, um die Rechte nicht nur im
Gesetzbuch stehen zu haben, sondern
wirklich gelebt zu werden,
eine Stelle, die sich darum kümmert.
Daneben wurden dann gleich eine Reihe von
anderen Stellen eingerichtet, also zum
Beispiel die Fachstelle Barrierefreiheit.
Genau, so heißt Sie, d
ie Behörden berät, zum Beispiel, wie sie
barrierefrei ihre Umgebung gestalten
können, ihre Webseiten
gestalten können und so weiter.
Also,
ein kleiner Rundumschlag hat da 2016
stattgefunden. U
nd ja, hat sich gezeigt, dass
das richtig war, weil bis jetzt sind hier
über 900 Verfahren eingeleitet worden
und im Schnitt der Jahre haben wir über
die Hälfte der Verfahren
gütlich einigen können.
Und das finde ich recht eindrucksvoll.
Also, als ich hier neu kam und gesehen
habe, mit welchen Themen sich all die
Kolleg*innen bisher beschäftigt haben und
wie sie Lösungen gefunden haben,
fand ich das sehr beeindruckend. Weil
das so, aus dem Blickwinkel eines Juristen
sind hier viele Sachen möglich, die vor
Gericht, wenn man
auf die Prozessordnung der Gerichte
schaut, die relativ begrenzt sind
, in den Möglichkeiten, die man dort hat,
sind hier kreative
Lösungen gefunden worden.
Okay.
Ja, dazu kommen wir gleich noch.
Ich bin schon sehr gespannt.
Ich wollte nur noch mal kurz klarstellen.
Ich glaube, es heißt Bundesf
achstelle Barrierefreiheit.
Ich bin mir aber auch
nicht immer ganz sicher.
Ja, da liegen Sie wahrscheinlich richtig,
weil es ja noch für die
Bundesbehörden ist.
Genau.
Ja. Genau. Ja, ja.
Aber die dürfen jetzt auch
private Unternehmen beraten.
Auch im Rahmen des neu verabschiedeten
Barrierefreiheitsstärkungsg
esetzes haben die dann auch den Auftrag,
Privatunternehmen, die ja jetzt auch
teilweise zur digitalen Barrierefreiheit
verpflichtet werden, jedenfalls alle
spätestens ab 2030, zu beraten.
Okay, das mal nur so nebenbei als
besserwisserischer
Klugscheisser-Kommentar. Nein.
Wir machen ja hier einen Podcast,
da gehört sowas dazu.
Ja, das stimmt.
Die nächste Frage befasst sich so ein
bisschen überhaupt mit
dem Thema Schlichtung.
Es ist ja ein außergerichtliches
Streitbeilegungsinstrument.
Aber was bedeutet Schlichtung eigentlich
ganz konkret in der Praxis und wie kann
man das abgrenzen zur Mediation, die im
Behindertengleichstellungsgesetz und auch
in der Rechtsverordnung, wo die Befugnisse
der Schlichtungsstelle und wer das
überhaupt ausüben kann und wie so ein
Schlichtungsverfahren aufgebaut
ist, geregelt werden?
Also, was ist eine Schlichtung und was ist
der Unterschied zwischen
Mediation und Schlichtung?
Schlichtungsverfahren bei der
Schlichtungsstelle ist ja,
eine Einigung zwischen dem Antragsteller
oder der Antragstellerin und der
öffentlichen Stelle zu erreichen.
Unser erster Schritt ist immer die
Behörde, mit der ein Konflikt besteht, zu
einer schriftlichen
Stellungnahme aufzurufen.
Manchmal wird schon dadurch Klarheit
geschaffen, also, dass die Behörde sagt, ach
ja, also das ist so und so gelaufen und
da können wir uns sicherlich
eine Lösung vorstellen.
Das meiste, wenn ich das so richtig
übersehe hier, wir
führen ja eine Statistik, wird auch über
schriftliche Verfahren und vielleicht
einige Telefonate mit dem Antragstellenden
oder der Behörde erledigt.
Also, da sagt man okay,
also hier sind bestimmte Sachen übersehen
worden oder gäbe es hier nicht eine
Möglichkeit, das so nach den Wünschen
des Antragstellenden zu gestalten.
Und ja, also viele Behörden
sind da sehr kooperativ, kann man schon
sagen. Also, wenn es z
um Beispiel auch um arbeitsrechtliche
Fragen geht, die Behördenmitarbeiter,
behinderte Behördenmitarbeiter,
gegenüber ihrem Dienstherrn haben.
Also, da erlebe ich,
dass sehr viele Sachen, auch in
Zusammenarbeit dann zum Beispiel mit dem
Personalrat der Schwerbehindertenv
ertretung und so weiter und so fort,
zu einer guten Lösung kommen.
Wenn das jetzt
über die schriftliche oder telefonische
Antragsstellung und Bearbeitung nicht
möglich ist, dann kommen wir
zum Schlichtungsgespräch.
Dazu können wir als
Schlichtungsperson einladen.
Das wird jetzt
seit Corona mehr und mehr auch digital
stattfinden, hier so in einer
Videokonferenz, so wie
wir jetzt gerade sind.
Man kann es auch persönlich
vor Ort hier in Berlin.
Oder wir fahren
an den Ort, wo es möglich ist, als
Schlichtende, einberufen und dann werden
die Positionen geklärt oder besprochen.
Und ja, aus den Ergebnissen
erarbeiten wir als Schlichtende
dann einen Schlichtungsvorschlag.
Innerhalb dieses Schlichtungsgespräches
kann es manchmal sein, dass wir merken,
okay, also hier sind
vielleicht viele ungeklärte Rechtsfragen,
aber vor allen Dingen haben sich die
zwei Parteien ineinander verhärtet.
Also, der eine glaubt dem anderen nicht
mehr und es werden nur noch Vorwürfe von
einer Seite auf die andere geschoben
und so weiter und so fort.
Und das wäre dann
ein guter Ansatzpunkt für eine Mediation.
Mediation ist ein strukturiertes
Verfahren zur Streitbeilegung.
Dazu muss man eine Ausbildung
machen, um das anwenden zu können.
Da gibt es ein Mediationsgesetz
und das schreibt eine
Ausbildung von 120 Stunden vor.
Die hat auch jeder von uns Schlichten
den absolviert, diese Ausbildung.
Ja, da werden dann erst mal
versucht, die beiden Sichtweisen
noch mal gegeneinander zu klären.
Die Frage, was denn eigentlich jetzt so an
Emotionen in dem Streit drin sind
und was die eigentlichen Ziele sind.
Das ist ein strukturiertes Verfahren in
fünf Schritten, wo man als Mediator nur
eine Rolle eines Unparteiischen spielt und
die Parteien selber zu einer Lösung führt.
Also, dass sie sagen okay, also
jetzt, wo ich weiß, dass Sie den Fall so
oder so sehen, könnte ich mir
folgende Lösung vorstellen.
Also ist, zum Beispiel
hatte ich einen Fall mit einer
Antragstellerin, die einen
Assistenzhund brauchte und
mit diesem Assistenzhund auf einen
Campingplatz wollte und die Campingplatzb
ewohner und der Campingplatzbetreiber
hatten da was dagegen, dass sie mit dem
Hund in die Sanitäranlagen geht, weil
Hygienevorschriften und und und.
Dann haben wir halt
versucht, das schriftlich zu regeln.
Das hat nicht geklappt, auch,
weil das so umständlich war.
Und dann haben wir halt eine
Videokonferenz einberufen.
Das ging auf dem Campingplatz.
Dann hat die Antragstellerin zum ersten
Mal gegenüber dem Campingplatzbesitzer
gesagt, dass sie den Hund nicht als
Spielzeug braucht oder als
Kuscheltier, sondern eben
der sehr medizinisch notwendig sei, weil
sie an einer
posttraumatischen Belastungsstörung
leidet, und
der Hund für ihre Sicherheit wichtig ist,
und dass sie ohne den Hund halt nicht
in geschlossene Räume gehen kann.
Das löste dann von Seiten der
Campingplatzbetreiber Verständnis aus.
Und dann fand man auf einmal heraus, dass
es auf dem Campingplatz ja noch eine
zweite Toilette gab und die
einen Extraschlüssel hatte.
Und so ist man übereingekommen, dass die
Frau den Schlüssel bekommt für die
Behindertentoilette und dass sie sich aber
natürlich verpflichtet, ihren
Hund in hygienischer Art und Weise dort
mit reinzunehmen, und dass sie
aber den Hund nicht duschen darf.
Also, wir haben das ganz bis ins
Detail geregelt und dann halt, bzw.
nicht wir haben das geregelt, das haben
die zwei Parteien geregelt, da kam auf
einmal, auf einmal lagen die
Lösungsmöglichkeiten, die ich jetzt von
hier aus Berlin aus niemals hätte
sehen können, auf dem Tisch.
Und so funktioniert Mediation oft.
Dass, wenn man die Parteien in Kontakt
bringt und verschiedene
strukturierte Vorgaben gibt, so von wegen,
"Schildern Sie doch mal Ihren Fall.", und
"Wie sieht das jetzt für Sie aus, wenn die
Gegenseite sagt, das geht nicht
?" und so weiter und so fort.
Also, gezielte Fragen stellt, aber die
Lösung kommt dann von den Menschen selber.
Und dann am Ende macht man natürlich auch
eine Vereinbarung, ganz detailliert mit
Zeiten, Kosten und so weiter und so
fort. Je nachdem, was es da braucht.
Dann ist man als Mediator nur noch
derjenige, der dokumentiert,
der also aufschreibt.
Die Lösungsvorschläge kommen
von den Leuten selber.
Ja, spannend.
Also wenn ich es richtig verstanden habe,
ist es so, dass bei der Mediation die
Parteien den
Lösungsvorschlag selbst erarbeiten, sie
sich aber gegenseitig
sensibilisieren und Empathie fördern und
eine gewisse Offenheit, so dass Lösungen
überhaupt erarbeitet und entwickelt werden
können und dann auch
detailliert festgeschrieben.
Oder, wenn man die Mediation nicht
unbedingt anwendet, dann ist es auch so,
dass auch Sie als Schlichtungsstelle, wenn
selbst keine Einigung erzielt wird,
zwischen den Parteien, ein Schlichtungsv
orschlag
auf den Weg bringen können, dem dann die
Parteien entweder
zustimmen oder auch nicht.
Ist das so richtig?
Ja, also wenn wir keine Mediation
einsetzen, ist das die
Variante, dass wir sagen, okay,
also wir machen jetzt, wir haben alle
Seiten und alle Fakten zusammengetragen.
Wir haben hingewiesen auf die Rechtslage
und auf der Grundlage machen wir einen
Schlichtungsvorschlag.
Das ist dann unsere Arbeit.
Und wenn wir Mediation einsetzen,
kommen wir auch zu einer Schlichtungsv
ereinbarung, aber die wird nicht von uns
vorgeschlagen, sondern von den Parteien.
Und wir schreiben sie auf, machen damit
auch wieder einen Schlichtungsvorschlag,
den dann die Parteien
natürlich annehmen, weil sie sich
ja schon darauf geeinigt haben.
Das ist ja nicht so ganz einfach, einmal
als Mediatorin aktiv zu sein, und, wenn
man selbst Schlichtungsvorschläge
erarbeitet, überhaupt in diesen
rechtlichen Gefilden unterwegs ist, dann
muss man ja auch ein bisschen was
können und wissen.
Und in der Verordnung
zum Behindertengleichstellungsgesetz, §16
Schlichtungsstelle, habe ich auch gelesen
unter Anderem die
Befähigung zum Richteramt.
Vielleicht können Sie das kurz erklären
und kurz erläutern, was man sonst so für
Qualifikationen braucht, die
Sie auf jeden Fall alle haben.
So wie ich das rausgehört habe.
Also, die Befähigung zum Richteramt ist
nur eine andere Umschreibung
für Juristen, die zwei Staatsexamina
abgelegt haben, also ihr erstes Examen
nach dem Studium und das zweite
Examen nach dem Referendariat.
Das heißt also, man
kann dazu auch Volljurist sagen.
Auf jeden Fall, das sind ausgebildete
Juristen, die sowohl
die Theorie als auch die Praxis kennen.
Das befähigt
schon mal dazu, diese vielfältigen Fragen,
die auf uns einkommen, mal zu sortieren.
Also, wir haben die ganze Breite
des Rechts, von
natürlich viel Sozialrecht,
Sozialversicherungsrecht als auch
Verwaltungsrecht,
dann Arbeitsrecht natürlich, ja,
bis hin zum
natürlich unserem Kerngebiet, dem
Behinderteng
leichstellungsgesetz, wo (??) und
alle Fragen, die jetzt in dem
Bereich eine Rolle spielen.
Und da, wo wir nicht weiterwissen,
geben wir Gutachten in Auftrag.
Also, als wir
den Fall mit ihrem Verband geschlichtet
haben, wo es um den Service der Deutschen
Bahn ging,
musste eine Frage, die bis jetzt noch
nicht genau geklärt war, durch
ein Gutachten geklärt werden.
Aber auf den Fall können wir
wahrscheinlich nachher
noch mal zurückkommen.
Und ja.
Und darüber hinaus eben, wie
eben gesagt, also die Ausbildung als
Mediator, weil Gesprächsführung und Umgang
mit Emotionen sind ja nun mal Dinge, die
man im Jurastudium leider nicht lernt.
Man lernt die Anwendung von Recht und
alles geht schriftlich, bis
auf die mündliche Prüfung.
Und das Gespräch mit Menschen, das
Eingehen auf ihre Gefühle, Argumentation,
Kompromissfindung, alles das lernt man im
Jurastudium nicht
und das kann man sich natürlich dann
später in der Berufspraxis
als Juristin oder als Jurist immer wieder
aneignen und Erfahrungen sammeln, aber
zur Ausbildung gehört es erstmal nicht.
Und deswegen ist, finde ich, diese
Zusatzausbildung als Mediator
sehr, sehr hilfreich.
Sie haben es jetzt immer schon mal ein
bisschen angeschnitten,
welche Fallkonstellation da
so aufeinandertreffen können.
Für mich ist immer noch nicht ganz klar
, also, die Schlichtungsstelle ist ja für
die Regelungsbereiche
des Behindertengleichstellungsgesetzes
verantwortlich, oder mit aktiv, und
versucht, da zu schlichten, zum Beispiel
im Bereich Barrierefreiheit von Webseiten,
im Bereich barrierefreier Kommunikation,
Leichte Sprache, barrierefreies
Aushändigen von Schriftstücken, zum
Beispiel für blinde Menschen, oder
überhaupt Schriftstücke
in wahrnehmbarer Form.
Und auch für das Thema barrierefreier
Verkehr, jedenfalls von den Verkehrs
betreibern, die dem Bund unterstehen und
auch von den Gebäuden,
die dem Bund unterstehen.
Die sollen auch, außer wenn sie
denkmalgeschützt sind und alte Bestands
bauten, barrierefrei gestaltet werden.
Das sind wahrscheinlich so Regelungsb
ereiche, wo es immer mal wieder Streit
gibt, weil es ja in Deutschland noch nicht
so super läuft, also
jedenfalls nicht immer.
Was gibt es da noch für Bereiche, weil Sie
auch das Thema Arbeit
angesprochen haben, zum Beispiel?
Ja gut. Es gibt
im Arbeitsrecht oder auch im Beamtenrecht
in Bundesbehörden zum Beispiel immer
wieder die Frage nach Wiederkehr
aus längerer Krankheit, also betriebliches
Eingliederungsmanagement.
Da ist jemand mit einer Behinderung, ist
krank geworden, ist länger weg, länger
als sechs Wochen und kommt dann zurück.
Und dann wird geschaut, ja,
wie wird er wieder eingesetzt?
Kann er an die gleiche
Arbeitsstelle zurück?
Auch eine neue, ist da, wo er hinkommt,
entsprechend barrierefreier
Zugang gewährleistet?
Und so weiter und so fort.
Das sind manchmal
Fälle, die hier auftauchen.
Jetzt neu auch Zugang zum Arbeitsplatz mit
Assistenzhund, hatten
wir auch schon Fälle.
Oder eben insgesamt,
dass man sich von den Kollegen als Mensch
mit Behinderung halt benachteiligt fühlt
beim Aufstieg, bei der Berücksichtigung,
bei der Vergabe von Stellen, bei der
Bewerbung in anderen Behörden und so.
Also, da gibt es ein großes Spektrum
an Möglichkeiten, wo man hier
tätig werden muss, leider.
Also, ich hatte jetzt, bin jetzt seit
einem Jahr in der Schlichtungsstelle, den
interessantesten
Fall, dass ein Mensch im Rollstuhl,
hoher Querschnitt, sich beworben hatte auf
eine Stelle innerhalb einer Bundesbehörde
und man sagte, ja, dann müssen wir aber
erst mal schauen, ob Sie dafür
gesundheitlich geeignet sind,
das war eine Stelle im Ausland,
und kam dann zu dem Schluss, nein, also
das geht nicht, weil, das
Gebäude ist nicht barrierefrei.
Also, der Schluss, zu sagen, okay,
wir haben die Stelle und wir machen das
Gebäude für Sie barrierefrei, den Schluss,
der war in der Bundesbehörde
noch nicht möglich, zu denken.
Dann hat dieser Antragsteller uns
angerufen und gleichzeitig aber auch alle
anderen Institutionen, die es da gibt,
also Schwerbehindertenvertretung,
Personalrat und so weiter und so fort.
Also, hat massiv Druck aufgebaut und
es hat sich herausgestellt, dass eine
ähnliche Stelle in einem anderen Land
gefunden werden konnte.
Und dort ging es auch, dass man
das Gebäude angepasst hat und geguckt hat,
ob der Fahrstuhl funktioniert oder
reinkommt und so weiter und so fort.
Es war auf einmal
eine sehr große Kooperationsbereitschaft
da und ich habe jetzt von ihm noch keinen
Abschluss gehört, ob er jetzt dort
tatsächlich angefangen hat,
aber es sieht sehr gut aus.
Der Antragsteller war in diesem Land schon
lange als Tourist unterwegs und die
Gutachter der Behörde, die
ihn da einsetzen sollte, sagte, ja, also,
Sie kommen doch hier mit
einem Rollstuhl nirgendwohin.
Das ist halt außerhalb Europas.
Und so weiter und so fort.
Da konnte er halt sehr gut kontern und
sagen, ich weiß, wohin ich da
mit meinem Rollstuhl komme und wohin nicht
, wohin ich halt wie jeder andere auch ein
Taxi nehme, oder wie auch immer,
ein Fahrdienst oder was auch immer.
Also, er konnte sehr gut argumentieren
und,
was auch wichtig war für uns, also jetzt
rein juristisch, zu trennen zwischen
seiner gesundheitlichen Einschränkung und
den Einschränkungen, die entstanden
dadurch, dass das Gebäude
nicht barrierefrei war.
Also, Menschen werden behindert
und sind nicht behindert.
Also, dieser Spruch,
den gibt es ja jetzt schon seit längerem,
aber
den muss man in dieser Auseinandersetzung
dann noch mal deutlich machen,
dass es auch die Verpflichtung sein kann,
einer Behörde,
Barrierefreiheit zu schaffen.
Im Ausland ist das immer eingeschränkt,
die Verpflichtung, weil da ja auch
manchmal andere gesetzliche Gegebenheiten
sind, baugesetzlich oder wie auch immer.
Aber wenn es möglich ist, dann
besteht die Verpflichtung durchaus.
In welchen Bereichen
kann die Schlichtungsstelle denn
so aktiv werden, auch wenn wenn es zum
Beispiel um Schulen geht oder um
die Barrierefreiheit in Kindergärten oder
anderen Einrichtungen oder Universitäten?
Oder ist das dann doch
eher wieder Landesrecht?
Also, für mich ist diese Abgrenzung
immer noch nicht so ganz klar?
Es ist leider ein Problem,
das zu vermitteln.
Wir haben Zuständigkeit für
Träger öffentlicher Gewalt des Bundes
oder öffentliche Stellen des Bundes.
Als Träger der öffentlichen Gewalt
kann man sich was drunter vorstellen.
Das sind alle Bundesbehörden,
alle nachgeordneten Behörden,
wie zum Beispiel das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
oder die Bundesanstalt für Arbeitsschutz.
Es gibt ganz viele
davon, und dann auch alle
Sozialversicherungsträger, alle
Krankenkassen, alle Rentenkassen,
die der Aufsicht des Bundesamt für
soziale Sicherung unterstehen.
Also, da geht es noch
mal eine Stufe weiter.
Also, wir sind zuständig für Konflikte,
zum Beispiel mit der Agentur für Arbeit,
für die Konflikte mit der Deutschen
Rentenversicherung, Bund, und für die
Konflikte mit Krankenkassen, die
deutschlandweit geöffnet sind.
Also,
seltsamerweise oder logischerweise aus
dieser Logik heraus,
sind wir nicht zuständig für die AOK,
weil die AOK ist immer länderweise
organisiert oder maximal
zwei Bundesländer gleichzeitig. U
nd da ist das Bundesamt für
soziale Sicherung nicht zuständig und
deswegen kann man da auch nicht
schlichten, wenn es um die AOK geht.
Aber wenn es um die Barmer, um die DAK und
alle anderen oder viele andere
Krankenkassen geht, dann ja.
Und das gleiche gilt dann
auch für die Pflegekassen.
Es ist von außen jetzt schwer
zu verstehen, gebe ich zu.
Wir bemühen uns auch darum, da ein
bisschen mehr Klarheit reinzubringen.
Aber ja, erst mal ist der
gesetzliche Rahmen so.
Und das andere sind die
öffentlichen Stellen.
Das ist ein bisschen weiter.
Also, da gehören dann auch die Stellen
dazu, an denen der Bund mehrheitlich
beteiligt ist, wie zum
Beispiel die Deutsche Bahn.
Der ist ja hundertprozentiger
Aktionär bei der Deutschen Bahn.
Und
da sind wir aber wiederum nur zuständig
für Streitigkeiten,
die mit Barrierefreiheit
im Internet zu tun haben.
Also,
wenn irgendwie das
Bundesamt für Katastrophenschutz eine
Bahn-App rausgibt
und diese Bahn-App ist nicht barrierefrei
für blinde Menschen,
dann können wir schlichten.
Oder, was ich zum Beispiel hatte, war
ein Fall eines blinden Menschen,
der sich bei einer privaten Vereinigung
um eine Förderung
im Rahmen seiner musikalischen Tätigkeit,
er war Gitarrist, und dieser private V
erein hatte Fördermittel ausgeschrieben
zur Förderung von Musikern.
Und dieses Geld kam zu 100 % aus
Bundesmitteln und der Bund war auch mehr
als die Hälfte an diesem Verein beteiligt,
also finanzierte diesen Verein.
Der nutzte diesen Verein sozusagen, um
seine Fördermittel unters Volk zu bringen.
Und die Webseite dieses Vereins war nicht
barrierefrei, also nicht im
Ansatz auch nur barrierefrei.
Man hatte einfach nicht dran gedacht,
als man eine Webseite aufgebaut hat.
So hieß es dann so in der Begründung.
Da waren wir dann zuständig,
weil das halt eine Sache ist, wo der Bund
mehrheitlich beteiligt war, oder
überwiegend, glaube ich,
heißt es im Gesetz.
Und dann haben wir zwei Sachen vereinbart
in diesem Schlichtungsverfahren.
Also, wir haben einerseits das zuständige
Bundesministerium mit einbezogen, der die
Fördergelder zur Verfügung gestellt hat.
Und das Zweite war, dass wir einen
Zeitplan aufgestellt haben, wonach
innerhalb eines Jahres diese Webseite
barrierefrei zu erstellen ist.
Dafür haben wir einen Termin eingezogen
und haben gesagt, da gibt es eine
Überwachungsstelle, die die
Barrierefreiheit im Internet überwacht.
Die ist bei der Bundesfachstelle
angesiedelt und die wird in einem Jahr
im Rahmen ihrer laufenden Prüfung diese
Webseite noch mal
auf Barrierefreiheit prüfen.
Und für den Antragsteller selber haben wir
gesagt, er konnte jetzt innerhalb der
Frist, die für sehende Menschen
gegolten hat, ja er seinen Antrag gar
nicht stellen, weil die Webseite war nicht
barrierefrei, das Antragsformular war
nicht barrierefrei, er kriegt eine
Fristverlängerung und er kriegt einen
Mitarbeiter als Kontaktperson,
die ihm sozusagen
das Antragsformular vorliest und
er entsprechend das ausfüllt.
So, das war dann die Lösung,
die wir dort gefunden haben.
Das klingt sehr praxisorientiert und
pragmatisch, und das klingt
nach angemessenen Vorkehrungen.
Genau.
Im Behindertengleichstellungsgesetz gibt
es ja das Benachteiligungsverbot
und angemessene Vorkehrung kann ja als
probates Mittel genutzt werden, um diesem
auch entgegenzuwirken, wenn noch keine
Barrierefreiheit hergestellt werden kann.
Wir haben immer so ein bisschen das
Problem, wie erklärt man das am besten,
was angemessene Vorkehrungen
eigentlich sind?
Haben Sie da vielleicht noch ein oder zwei
andere Beispiele, um das ein
bisschen zu verdeutlichen?
Regelbeispiel für uns ist die
Deutsche Bahn und der ICE.
Der ICE ist ja
von seiner Bauart bis jetzt nicht
barrierefrei,
zum Beispiel Rollstuhlfahrer können
nicht stufenlos in den ICE reinrollen,
und da man jetzt nicht die alten ICEs
umbauen kann, anscheinend geht das
technisch tatsächlich nicht,
hat man für die
Rollstuhlfahrenden den Service der
Deutschen Bundesbahn, also den
Begleitservice, und alle ICEs sind
mit einer, ich glaube, Rampe oder mit
einem Hublift ausgestattet,
eins von beiden jedenfalls.
Das kennt ja jeder, der mit dem ICE geht.
Dann klappt dann irgendwann mal so eine
Rampe auf und der Servicemitarbeiter
hilft dem Rollstuhlfahrenden
dann in den Zug rein.
Das ist eine angemessene Vorkehrung.
Also, eigentlich barrierefreies
Verkehrsmittel, müsste barrierefrei sein.
Da das nun nicht so ist,
gibt es einen Lift oder eine Rampe.
Das bringt mich so ein bisschen zu der
Frage, wenn ich überhaupt
das Gefühl habe, ich fühle mich im Recht
verletzt als Mensch mit Behinderung, wie
kann ich das denn Ihnen kommunizieren?
Und wie geht das dann weiter?
Also, wie kann ich einen Antrag stellen
und wie ist dann das Prozedere?
Ja, den Antrag bei uns finden Sie auf der
Website, u
nsere Webseite ist 100 % barrierefrei,
natürlich. Den gibt es auch
barrierefrei als Antragsformular.
Es gibt es auch als Leichte
Sprache-Antragsformular.
Wenn Sie jetzt keinen Internetzugang
haben, gibt es auch den Antrag zum
Zuschicken, wenn Sie bei uns anrufen.
Und ja, in dem Antrag wird ganz
einfach gefragt, was ist passiert?
Wann ist das passiert?
Welche Behörde war daran beteiligt?
Und was denken Sie,
oder was möchten Sie eigentlich, wie es
Ihrer Meinung nach von der Behörde aus
geregelt werden soll?
Also, die Voraussetzungen sind sehr, sehr
niedrig für einen gültigen
Antrag zu stellen.
Und im Gesetz heißt es auch,
wer den Eindruck hat, oder so ähnlich.
Also, es muss gar nicht mit Beweisen
oder ähnlichem gerechnet werden.
Also, oder Sie müssen gar nichts darlegen,
Sie können einfach sagen, also am 23.
Soundsoviel habe ich diesen und jenen
Bescheid bekommen und
ich fühle mich dadurch diskriminiert,
beeinträchtigt, benachteiligt.
So, das ist erst mal ein Antrag
und alles weitere können wir dann
nach und nach klären.
Okay.
Ja, also das weitere Verfahren ist dann,
das wir bei der Behörde, die wir dann
genannt bekommen oder
die wir dann auch herausfinden können,
die werden dann schriftlich zu einer
Stellungnahme gebeten und dafür gibt
es in der Regel einen Monat Zeit.
Manchmal, wenn es dringend ist,
versuchen wir, diese Frist auch im
allgemeinen Einvernehmen zu verkürzen.
Dann können wir anhand der Stellungnahme
der Behörde deren Sichtweise sehen und
gucken, wo passt das übereinander?
Wo sind nach den rechtlichen
Vorgaben hier Defizite?
Und dann versuchen wir das
Hin und Her im Dialog, erst mal den
Sachverhalt
zu klären, und dann eben,
wie wir eben schon gesagt haben, entweder
klappt das im schriftlichen Verfahren,
dass man sagt, okay, da fehlt was oder
okay, das habe ich noch nicht gesehen oder
so und dann sagen, okay,
das holen wir nach, oder ja.
Oder wir müssen,
wenn beide Seiten in der Lage sind,
aufeinander zuzugehen, einen
Schlichtungsvorschlag machen und legen den
beiden Parteien dann eine Einigung vor.
Oder wir gehen noch einen Schritt weiter
und sagen, wir müssen jetzt erst mal
hier so ein paar
Sachen klären, die nicht auf der
sachlichen Ebene sind, sondern wo sich,
wenn zum Beispiel der
Antragsteller sagt, also mit dem
Sachbearbeiter XY rede ich gar nicht mehr,
mit dem will ich nichts mehr zu tun haben
und von dem akzeptiere ich auch keine
keine schriftlichen Äußerungen mehr, weil
der ist befangen, da bietet sich dann so
eine Geschichte wie eine Mediation an!
Ja. Okay, ja, das klingt sehr
einleuchtend, aber nach
viel Arbeit, auch von Ihrer Seite und
viel Klärungs- und Aufklärungsarbeit.
Wie ist es denn so in dem
Schlichtungsverfahren
und bei Antragsstellung?
Da haben Sie gesagt,
sehr niedrigschwellig.
Aber, wenn ich zum Beispiel
eine Hörbeeinträchtigung habe oder für
mich ist es leichter, in Leichter Sprache
zu kommunizieren,
wird das auch gewährleistet?
Und wenn ja, wie setzen
Sie das praktisch um?
Ja.
Also, wir haben auf unserer Website für
Menschen, für taube Menschen oder Menschen
mit eingeschränktem Hörvermögen
ein Angebot, das heißt Squad.
Da kann man per Video
seinen Antrag darlegen und ein Übersetzer
verschriftlicht das dann und
schickt uns das dann zu.
Und wir können dann wiederum über
Squad an den Menschen, der in
Gebärdensprache spricht,
eine Eingangsbestätigung
oder ähnliches schicken.
Der wird dann zurück gedolmetscht
in Gebärdensprache per Video.
Das ist jetzt
ein Angebot, aber die meisten
gehörlosen Menschen nutzen Email, nutzen
andere Übersetzungsservices.
Also, es f
unktioniert einfach meistens ohne
dieses Angebot, was wir gemacht haben.
Es gibt da auch zum Beispiel
Simultanübersetzung als Angebot.
Das weiß ich vom Deutschen
Gehörlosen Verband.
Der nutzt das.
So, dass man im
Prinzip, wie nennt sich das,
Echtzeitübersetzung, Simultanübersetzung,
dass man
miteinander telefoniert und das läuft
bei einer Übersetzerin oder Übersetzer für
Gebärdensprache auf und der
übersetzt es dann sofort, also,
der Gehörlose hat eine Videoverbindung
und wir haben eine Telefonverbindung.
So kann man miteinander per Telefon
kommunizieren und wenn wir ein
Schlichtungsgespräch machen, ist natürlich
ein Gebärdendolmetscher oder
eine Dolmetscherin dabei.
Okay, und für Leichte
Sprache geht das auch?
Also, haben Sie da auch schon
Erfahrungen gesammelt, weil das für die?
Also, ich persönlich nicht.
Aber meine Kollegin hat auch schon
Sitzungen mit Übersetzer in
Leichter Sprache gemacht.
Ja.
Sehr gut.
Ja, weil das für diese Menschen ja
besonders schwierig ist, immer
wirklich gehört zu werden.
Ja, okay.
Und
dann haben Sie gesagt, dass Sie entweder
selbst Schlichtungsvorschläge unterbreiten
oder im Rahmen einer Mediation
das erarbeitet wird.
Sind die dann auch so
an irgendwie Fristen und Bedingungen
geknüpft oder gibt es da Bedingungen oder
könnte dann auch die Behörde sagen, so,
jetzt warte ich erst mal neun Monate, bis
ich da irgendwie tätig werde und meine
Dokumente oder meine
Webseite barrierefrei mache?
Also, wie sind die so ausgestaltet,
diese, Zielvereinbarung
nicht, aber die Vereinbarungen?
Also,
die Vereinbarungen gehen so weit,
also, erst mal ist die Behörde
verpflichtet, innerhalb
eines Monats zu antworten.
Das zweite ist, wenn das nicht passiert,
was mir jetzt noch nicht vorgekommen ist,
also spätestens nach der ersten Erinnerung
wird meistens geantwortet,
aber wenn sich auf der Ebene der
zuständigen Behörde jetzt keine Lösung
anbietet, kann man auch die aufsicht
sführende Behörde einschalten,
zum Beispiel bei Krankenkassen oder
Rentenversicherung dann eben dieses
Bundesamt für soziale Sicherung und die
dann noch mal Stellung nehmen lassen.
Da gibt es schon Möglichkeiten, den
Streit so eine Stufe höher zu tragen.
Das sind so die Möglichkeiten, die wir
haben, aber in der Regel, also
interessant ist jetzt,
seit einem Jahr sind wir ja auch zuständig
für die Schlichtung von
Fällen, wo der Zutritt mit Assistenzhund
nicht gewährt wird, vor allen Dingen eben
seit neuestem eben auch für private
Einrichtungen, Supermärkte, Krankenhäuser
und so weiter und so weiter.
Da haben wir ja eigentlich
kein Druckmittel.
Es gibt da keine aufsichtsführende
Behörde, die wir einschalten müssen.
Aber es ist ganz interessant, wie sich
so serviceorientierte Unternehmen wie
Cafés, Hotels oder sonstiges,
es sind also wirklich sehr, sehr schnell
bereit, mit uns zusammenzuarbeiten.
Ich weiß es noch nicht, ich habe noch
nicht genau rausbekommen warum,
aber, weil wahrscheinlich, weil
sie keinen Ärger haben wollen.
Und das k
ann man jetzt, glaube ich,
so nach einem, also,
manche Sachen gehen wirklich ratzfatz.
Da
hatten wir einen Fall, wo jemand nicht
reingelassen wurde mit seinem
Blindenhund in eine Destillerie.
Ja, es gab einen Betriebsausflug.
Und es war ein blinder
Geschäftsführer eines Unternehmens.
Und der kam da mit
seinem Blindenhund rein.
Und die Destillerie sagte,
wir sind ein Lebensmittelbetrieb,
hier kommen Sie nicht rein.
Da haben wir einen Brief geschrieben.
Da hat sich der Destillierer, also,
es waren Leute, die
anscheinend keine Ahnung hatten von
irgendwas, halt immer Angst, also viele g
erade so Lebensmittelbetriebe haben Angst
vor dem Gesundheitsamt
und das Gesundheitsamt erlaubt
normalerweise keine Hunde in Lebensmittelb
etrieben und deswegen wird
im Zweifelsfalle verboten.
Dann haben wir den Betrieb aufmerksam
gemacht auf die geltende Rechtslage und
dann hat er sich überbordend
entschuldigt und
den Geschäftsführer natürlich zu einer
privaten Führung eingeladen und und und.
Also, da macht man manchmal sehr positive
Erfahrungen, aber eben auch
manchmal auch völlige Borniertheit.
Also, gerade so bei kleineren Läden, die
inhabergeführt sind, die nicht an einen
großen Verband angeschlossen sind, die
keine Rechtsberatung bekommen oder so,
wird das dann so mit dem Argument
Hausrecht und Lebensmittelsicherheit,
das eskaliert manchmal richtig schnell und
dann sind die Grenzen der
Schlichtung auch schnell erreicht.
Spannend, weil das ja so das erste
überhaupt privatrechtliche Terrain ist,
schon mal da so Erfahrungen zu haben.
Ich bin sehr gespannt, wie das später
wird, wenn wir dann endlich auch mal
mehr privatrechtliche Regelungen im
Digitalbereich zum Thema
Barrierefreiheit haben.
Wäre nur wünschenswert, dass sich das
immer weiter ausbreitet und Deutschland
da nicht immer so zögerlich ist.
Aber das ist ein anderes Thema.
Ich hatte ja das Beispiel
der Schule angeführt.
Wie wäre das da, wenn ich mir wünschen
würde, oder mir wünsche, oder ich habe ja
das Recht, dass mein Kind barrierefrei
beschult wird, laut Artikel 24
UN-Behindertenrechtskonvention.
Kann ich das auch über die
Schlichtungsstelle irgendwie
versuchen, gütlich einzufordern?
Also, die Schlichtungsstelle
BGG leider nein.
Weil Schulwesen ist Sache der Länder
und Schulbau ist Sache der Kommunen.
Und wir sind tatsächlich
für Träger öffentlicher Gewalt des Bundes
und öffentliche Stellen zuständig.
Also, Schulen leider nein, es sei
denn, es geht um die Assistenzhunde.
Also, wer mit einem Assistenzhund nicht in
seine Schule reinkommt oder
ein Elternteil, das einen Assistenzhund
hat, dann können Sie sich an uns wenden.
Aber ansonsten Schule, Beschulung,
inklusive Beschulung und so weiter, diese
Themen sind alle leider nicht
in unserer Zuständigkeit.
Unsere Schlichtungsstelle hat anscheinend
zur Nachahmung animiert und
es gibt jetzt mehr und mehr Bundesländer,
die ihre eigenen Behinderteng
leichstellungsgesetze haben und die
auch Schlichtungsstellen einrichten.
Das ist gerade,
in Berlin weiß ich es, in Baden
Württemberg weiß ich es und in Bremen
weiß ich es, sind die da auf dem Weg.
Sie haben ja ausgeführt, okay, wenn eine
Schlichtung positiv verläuft, in der
Hälfte der Fälle scheint das ja auch so
gewesen zu sein, innerhalb
der letzten Jahre.
Aber was passiert denn,
wenn man sich nicht einigen kann und auch
die gegnerische Partei
nicht auf den Schlichtungsvorschlag
reagiert und den nicht akzeptiert?
Was habe ich denn dann als Mensch mit
Behinderung für Möglichkeiten, da
irgendwie weiter zu agieren und
trotzdem meine Rechte durchzusetzen?
Ja, natürlich.
Die Schlichtungsstelle ist ja ein Versuch,
sich außergerichtlich zu einigen.
Sie haben nach wie vor das Recht,
natürlich vor Gericht zu gehen und Klage
zu erheben oder gegen einen Verwaltungsb
escheid Widerspruch einzulegen.
Die Rechte bleiben Ihnen unbenommen.
Nur wie bereits gesagt, wenige
Menschen mit Behinderung tun das.
Jetzt, in den
Fällen, wo es um die Assistenzhunde geht,
gibt es neben dem BGG auch noch das
Allgemeine Gleichstellungsgesetz,
also das Diskriminierungsverbot,
Allgemeine Gleichstellungsgesetz, gibt es
hier eine Möglichkeit, Schadensersatz
einzufordern wegen einer Diskriminierung
gegenüber Privaten
oder auch im Arbeitsrecht.
Da haben Sie schon noch
weitere Möglichkeiten.
Aber wie bereits gesagt, das wird dann
formal. U
nd Sie haben natürlich alle anderen
Möglichkeiten, die Sie nutzen können.
Also, viele
Antragsteller wenden sich auch
gleichzeitig an den
Beauftragten für Menschen mit Behinderung
bei der Bundesregierung
oder an den Landes-Behindertenbeauftragten
oder, wenn wir selber nicht zuständig
sind, verweisen wir die Menschen, die bei
uns Anträge stellen auf die zuständigen
Behörden oder Behindertenbeauftragten
oder Selbsthilfestellen oder EUTB.
Also, wir sind ja Gott sei Dank nicht ganz
alleine bei der Durchsetzung von Rechten.
Insofern, ja, wenn es bei uns nicht geht,
gibt es die Möglichkeiten, sich anderswo
helfen zu lassen oder beraten zu lassen
oder eben auch im Zweifelsfall
zu Gericht zu gehen.
Okay.
Und aus Ihrer Praxiserfahrung heraus, w
as empfinden Sie denn als gute Gelingensf
aktoren, damit eine Schlichtung positiv
endet für den Menschen
mit Beeinträchtigung?
Also, worauf sollte ich als Mensch mit
Behinderung vielleicht schon achten, oder,
ja, genau, wenn ich so was
beginne, so ein Verfahren?
Die erste Überlegung, die man machen
sollte, ist, bin ich denn tatsächlich
bereit, mich gütlich zu einigen?
Also, wenn ich weiß, ich will mein Recht
hundertprozentig durchsetzen, dann
bin ich vielleicht nicht richtig
bei einem Schlichtungsverfahren.
Dann sollte ich vielleicht einen
Rechtsanwalt bemühen oder
einen Widerspruch einlegen.
Also,
manchmal ergibt sich das dann auch erst im
Laufe des Schlichtungsverfahren, dass man
so von diesen Maximalpositionen
sich ein wenig entfernt.
Also, wir versuchen, Kompromiss heißt,
zwei Seiten gehen aufeinander zu.
Das wäre das Erste.
Das Zweite ist,
wenn ich ein Schlichtungsverfahren
einleite, bin ich bereit, tatsächlich
die Zeit, also ein normales
Schlichtungsverfahren sollte ungefähr in
drei Monaten abgeschlossen sein,
einzugehen, da noch zuzuwarten?
Oder will ich direkt mein Recht haben?
Und dann, wie bereits gesagt,
gehe ich dann woanders hin.
Aber
ansonsten denke ich mir,
Schlichtungsverfahren,
kostenlose Möglichkeit.
Also, wir gucken, ob
ein Recht verletzt ist.
Auch da ist man ja erst mal sich nicht
so ganz sicher, habe ich das Recht?
Trifft das jetzt auf mich zu?
Und so weiter und so fort.
Das wird auch im Rahmen des
Schlichtungsverfahrens geklärt.
Deswegen also eine gute und günstige
Gelegenheit, zumindestens zu einer
vernünftigen Lösung zu kommen.
Noch kurz, so eine Bilanzierung, also zwei
Sachen, einmal auf der
Gewinnerseite, in welchen Bereichen des
BGG haben Sie denn erlebt, dass
Schlichtungen besonders sinnvoll
oder erfolgsversprechend sind?
Umgekehrt würde ich sagen,
Schlichtung stößt an seine Grenzen,
wenn beide Parteien sich
ineinander völlig verhakt haben.
Also, wenn Sachen schon,
also, teilweise, Sie
können ja auch ein Schlichtungsverfahren
noch einreichen, wenn Sie im
Gerichtsverfahren sind,
dann wird das Gerichtsverfahren
unterbrochen und eine
Schlichtung versucht.
Oder im Widerspruchsverfahren.
Meistens ist aber da, also dann schon so
viel hin und her geflossen
an Schriftstücken,
Sachen, die verletzend waren oder als
verletzend empfunden wurden usw.,
Gutachten wurden gemacht usw.,
dass da oft die Bereitschaft gar nicht
mehr da ist, einen Kompromiss einzugehen.
Also, man nennt das hoch
eskalierte Konflikte.
Da
sagen auch die Ausbilder zu Mediation
, also, bei hocheskalierten Konflikten,
wenn viele Sachen schon passiert sind,
geht auch Mediation oft nicht mehr.
Da gibt es kein Aufeinanderzugehen mehr.
Da muss einer von der höheren Warte
entscheiden, und das ist ein
Richter oder wer auch immer.
Also, ansonsten bietet sich Mediation
wirklich in vielen, vielen Fällen an, oder
Schlichtung,
ja, wo möglichst rasch nach Einsetzen
dessen, was man als Beeinträchtigung
oder als Barriere erlebt hat,
auf die Schlichtungsstelle zugehen und
versuchen, zu sehen, ob sich
eine gute Lösung finden lässt.
Also, ich meine, das BGG hat ja auch
gleichzeitig so, ist ja auch eine
Durchsetzungsmöglichkeit, und die
Schlichtungsstelle ist im Thema
Barrierefreiheit im Internet auch die
sogenannte Durchsetzungsstelle für die
Rechte von Menschen mit Behinderung.
Also, es geht manchmal eben auch nicht nur
um das eigene Bedürfnis,
also, wenn man zum Beispiel eine
nicht barrierefreie Webseite rügt,
hat man den Vorteil, dass man selber die
Webseite oder die App nutzen kann, aber
eben alle anderen, die auf
Barrierefreiheit angewiesen sind, auch.
Also, es ist auch nicht immer nur
eine Durchsetzung eigener Rechte, sondern
eine Stärkung der Rechte von
Menschen mit Behinderung.
Ja. Da haben Sie recht.
Die Schlichtungsstelle wird ja für
Individualpersonen tätig, aber auch
Verbände können Menschen, also, die
qualifiziert und zugelassen sind,
begleiten oder selber sogar eine
Schlichtung auf den Weg bringen.
Können Sie dazu noch ganz kurz was sagen?
Ja, also, ich meine,
das ist da ja auch extra so angelegt im
BGG, dass Verbände
ein eigenes Klagerecht bekommen.
Aber Voraussetzung ist, dass sie erst mal
eine Schlichtung über die
Schlichtungsstelle versuchen.
Und das wird recht herzlich wahrgenommen
, ja. Also,
wir haben inzwischen seitdem nicht nur die
ISL, sondern eben auch andere Verbände,
die sehr aufmerksam die
Lage für Menschen mit Behinderung
beobachten und uns regelmäßig
Anträge zukommen lassen.
Nicht unbedingt als Verbandsschlichtung,
sondern manchmal auch als Individuala
ntrag, aber
ich schätze das sehr, dass da in den
Verbänden Leute sind, die
aufmerksam auf die Arbeit von
Bundesbehörden und öffentlichen Stellen
ein Auge haben, was die
Barrierefreiheit betrifft.
Und ja, uns ja dann auch
immer wieder einschalten.
Sie veröffentlichen ja
auch immer einen Bericht.
Ich glaube jährlich, wenn ich jetzt nicht
irre, aber Sie können m
ich gerne korrigieren.
Und gibt es so aus diesen Berichten heraus
Empfehlungen, um die Schlichtungsstelle,
entweder die Arbeit noch zu verbessern,
das BGG zu reformieren oder können und
dürfen Sie da überhaupt
irgendwas zu sagen?
Wir dürfen wünschen. Wie alle
Menschen dürfen wir uns was wünschen.
Nein, also, wir schreiben
Vorschläge rein in unserem Bericht.
Das,
was sich halt aus unserer praktischen
Tätigkeit gezeigt hat, welche Regelungen
funktionieren, welche nicht funktionieren.
Und wir sind ja angesiedelt beim
Beauftragten für Menschen mit
Behinderung bei der Bundesregierung.
Und dem erstatten wir auch den Bericht,
und der kann daraus
seine Anregungen ziehen.
Und auch dem Bundesministerium für
Arbeit legen wir diesen Bericht vor.
Und auch die mögen unsere Anregungen
lesen und hoffentlich auch befolgen.
Wir haben keine,
wir sind ja keine Richter, wir dürfen ja
jetzt kein Recht setzen. Wir
machen Vorschläge.
Also, gerade in unserem letzten Bericht
für 2021 haben wir halt geschrieben, dass
wir uns wünschen würden,
dass bald die Verordnung zur Umsetzung
der Assistenzhunde-Rechte kommt.
Also, das Recht zum Betreten von
öffentlichen und privaten Einrichtungen
ist ja seit einem Jahr im Gesetz, aber es
fehlt noch die Verordnung, die dazu
erlassen werden soll,
die dann genau regelt, wie weist man
sich als Assistenzhundeführer aus?
Wo kann man einen Assistenzhund
ausbilden lassen?
Wie werden solche
Einrichtungen zertifiziert?
Und so weiter.
Die ganzen Detailfragen.
Und,
weil das eben jetzt seit einem Jahr
auseinander läuft, dass einerseits das
Recht und andererseits der Nachweis dieses
Rechtes, dass ich dieses Recht in Anspruch
nehmen kann, gibt es halt
sehr viele Streitereien.
Also, wie schon gesagt, im Eingangsbereich
von Supermärkten oder
bei Hotels beim Einchecken, oder im
Lebensmittelbetrieben und
so weiter und so weiter.
Halt immer die Frage,
ist das ein Assistenzhund und
haben Sie einen Nachweis?
In Deutschland braucht man
ja für alles einen Nachweis.
Und diese Sachen sind jetzt momentan
ungeregelt und deswegen haben wir hier
zum Thema Assistenzhunde viele Anträge.
Diese Assistenzhunde-Verordnung, die
wünschen wir uns bald und es sieht so aus,
als würde unser Wunsch
auch in Erfüllung gehen.
Ja. Jetzt liegt auf jeden Fall ein
Referentenentwurf auf dem Tisch und
auch wir als Verband, und ganz, ganz viele
andere sicher auch, wurden jetzt schon
mal gebeten, Stellung zu nehmen.
Also, wir dürfen gespannt sein.
Dann geht Ihr Wunsch wohl in Erfüllung.
Ja.
Ja, wunderbar.
Dann danke ich Ihnen ganz herzlich für
das auch für mich sehr
aufschlussreiche Interview.
Also, ich habe viel Neues gelernt.
Ich weiß ja eh sehr viel nicht.
Ich bin ja auch keine Juristin. Aber das
war hochinteressant und ich habe mich sehr
gefreut, dass Sie sich die Zeit genommen
haben und danke Ihnen ganz herzlich
für das sehr schöne Interview.
Ich hoffe, es hat Euch gefallen.
Ihr konntet ein bisschen was mitnehmen für
Euch und habt vielleicht auch jetzt mehr
Mut oder Interesse,
wenn ihr Euch in Euren Rechten verletzt
seht, die Schlichtungsstelle anzuschreiben
und zu schauen, ob eine
Schlichtung möglich ist.
Beim nächsten Mal geht es ganz konkret um
die gesetzlichen Regelungen im
Behindertengleichstellungsgesetz
, wie diese ganz praktisch umgesetzt
werden, was es da alles für Regelungen
gibt und wo auch noch
Reformbedarf besteht.
Ich wünsche Euch erst mal
eine wunderbare Zeit.
Macht es gut, bleibt optimistisch
und ich freue mich, wenn
wir uns bald wieder hören.
Dieser Podcast wird ermöglicht durch die
Förderung vom Bundesministerium
für Arbeit und Soziales.
Das lasse ich mir nicht bieten.
Der Podcast über Wege
durch den Rechtedschungel.
Eine Produktion von ISL -
Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben
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Kontaktaufnahme über die
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